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A 217, 1 und 2: Hollandmappen. A 170, 3 und 4: Ausland (Valkenier an Rahn.) M E H, 106 J Holzhalb's Kopienband, Holland. Werbung 1693—1700. Taufbuch des Fraumünsters. ' ' Kirchenarehiv. Stadtbibliothek Zürich. D 179/182: Briefe an Heidegger D 180/183: Malapert an Heidegger. H 306: Valkenier an Scheuchzer. B 28/101 : Valkenier an Heidegger. F 51 und 66: Briefe an Hottinger. Simler'sche Sammlung Band 184. Staatsarchiv Basel. Eatsprotokolle. Missive. A 13 (24) Kirchenakten. Niederland A 1. Universitätsbibliothek Basel. O. 2. I, 29. Kopienband. A. G. IV, 10. — 4 — Reichsarchiv Haag. Valkeniers Schreiben an den Staatssekretair Fagel. Jahrgänge 1690 — 1694. Fabritius' Schreiben an die Generalstaaten. Paris. Korrespondenzen des Gesandten Amelot. Nach den Kopien, die der Bundes- rat in den Pariser Archiven gegenwärtig anfertigen lässt. 1 ) Benutzte Druckwerke. Weber, Weltgeschichte. Zwölfter Band. Vulliemin, Geschichte der Eidgenossen. Dritter Band. Abschiede, VI, 2. Ochs, Geschichte von Basel. Siebenter Band, Schweizer, Geschichte der Schweizerischen Neutralität. Huch, Die Neutralität der Schweiz während des span. Erbfolgekrieges. Vogel, Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich. Vögel in, Das alte Zürich. Werdmüller, Memorabilia Tigurina. Bluntschli, Memorabilia Tigurina. Heidegger, Vita Heideggeri. Neujahrsblatt der Züricher Feuerwerker 1875. May, Histoire militaire de la Suisse. Mörikofer, Geschichte der evangelischen Flüchtlinge in der Schweiz. Ferwerda, A delyk- Wapen-Boek. Valkenier, Das Verwirrte Europa. Valkenier's gedruckte Reden in der Züricher Stadtbibliothek. Balthasar, Helvetia, Denkwürdigkeiten II. Baurain, Histoire militaire de Flandres 1690 — 1694. Leu, Helvetisches Lexikon. *) "Was die Daten betrifft, so ist zu bemerken, dass die evangelischen Kantone (Rats- protokolle, Missive und Privatbriefe) bis 1700 nach dem jnlianischen Kalender datierten; die eidgenössische Kanzlei (Abschiede) dagegen, ebenso wie Holland und Frankreich nach dem gregorianischen Kalender, daher ein Unterschied von zehn Tagen. I. Petrus Valkenier. Unter allen Gesandten, die Holland während des XVII. Jahrhunderts in die Schweiz geschickt hat, ist Petrus Valkenier bei weitem der hervorragendste, so- wohl als Persönlichkeit, als wegen des Einflusses, den seine vierzehnjährige Thätigkeit auf die Wechsel- beziehungen beider Länder ausgeübt hat. Er gehörte einem angesehenen und sehr verbreiteten holländischen Patriziergeschlecht an, aus dem in jenem Jahrhundert eine ganze Reihe bedeutender Männer hervorgegangen ist. 1 ) Mehrere von ihnen waren Bürgermeister von Amsterdam. Einer seiner Oheime starb als hol- ländischer Gesandter in Madrid, ein anderer war der Theologe Johannes Valkenier in Groningen. 2 ) 1 ) „ . . . het welk vele groote Mannen aan den Nederlandschen Staat uitgeleevert heeft." Abraham Ferwerda: Adelyk Wapen-Boek 1763. Hier ist der Stammbaum der Valkeniers mit biographischen Notizen abgedruckt. Die Familie führt ihren Ursprung auf einen belgischen Edelmann Jan Gelrock zurück, der im 15. Jahrhundert aus Brüssel habe flüchten müssen, weil er nach einem Streit beim Schachspiel einen Malteser Ordensritter im Duell getödtet. Er soll bei dem Herzog von Gelderland ein Unterkommen gefunden und die Stelle eines Gross -Falkners erhalten haben; eine jener Legenden, wie sie häufig in Patrizierfamilien sich bilden, um einen früheren Zusammenhang mit dem Adel zu bekunden. Die Familie Valkenier darf nicht verwechselt werden mit der Familie Valkenaer. 2 ) Johannes Valkenier findet sich 1640 in der Basler Matrikel eingezeichnet. Zwei Vettern, Wouter und Cornelis, standen als Direk- toren der Ostindischen Compagnie vor. Das be- rühmteste Mitglied der Familie ist der Bürgermeister Gilles Valkenier, einer der Vormünder Wilhelms III. während dessen Minderjährigkeit. Im Jahre 1672 brachte er den bereits schwankenden Hat durch eine herzhafte Bede zum Entschluss, die Übergabe Amster- dams an Ludwig XIV. zu verweigern. Durch dieses Beispiel ermutigt, wagten dann auch andere hollän- dische Städte, dem Eroberer Widerstand zu leisten, und so wurde Holland gerettet. 1 ) Petrus Vater lebte in Emmerich, einem kurbrandenburgischen Städtchen, das Holland, um seine Grenze gegen die Spanier zu schützen, seit 1614 mit Erlaubnis des Landesherrn zur Festung hergerichtet hatte, und wo seitdem eine holländische Garnison stand. 2 ) Hier wurde Petrus Valkenier am 25. Februar 1641 geboren. 3 ) Er studierte in Leiden Jura, 4 ) liess sich als Advokat in Amsterdam nieder und vermählte sich 1670 mit Char- lotte Becx aus Stockholm. Neben seinem Beruf war er schriftstellerisch thätig, indem die Buchhändler- kompagnie von Meurs, Someren und Boom ihn für ein Werk gewonnen hatte, das in ähnlicher Weise wie V „Hy is ook een van die groote Mannen geweest, dewelke, naast Godt, belet hebben, dat de Gotsdienst en Vryheit dezer Landen niet te gronde zyn gegaan, en welker namen, tot hunnen onsterflyken roem by de Geschiedschryvers vermeld staan." Ferwerda a. a. 0. „Bas Verwirrte Europa" S. 346. 2 ) „Das Verwirrte Europa" S. 224. 8 ) Dass weder er noch seine Geschwister im Taufbuch der reformierten Gemeinde von St. Aldegonden in Emmerich aufgezeichnet sind, ist daraus zu erklären, dass die holländische Garnison jedenfalls ihr eigenes Kirchenbuch führte. 4 ) „Album Studiosorum Academiae Lugduno Bataviae" 1875. S. 526 : „Petrus Valkenier Embrico-Clivensis." das Theatrum Europaeum die zeitgenössische Geschichte schildern sollte. Der erste Band erschien 1677; auf der letzten Seite teilen jedoch die Verleger dem küriösen Leser mit, dass sie für die Fortsetzung eine andere „qualificierte Persohn" suchen, weil der Autor zum Residenten in Frankfurt und zum Gesandten für die Schweiz ernannt sei. 1 ) Petrus Valkenier tritt uns in diesem Werk bereits als die klare, kraftvolle Persönlichkeit ent- gegen, als der glühende Feind Ludwigs XIV. und als der begeisterte Anhänger des Hauses Oranien, als den wir ihn später in der Schweiz wirken sehen. Er schrieb das Buch mit der ausgesprochenen Absicht der Polemik. Jeder Bürger und Unterthan, sagt er in der Vorrede, müsse zum Schutz seines Fürsten und Vaterlandes ein Soldat werden, sowohl mit der Feder als mit dem Degen oder wenigstens mit einem von beiden, und so habe er, als miles to- gatus sich verpflichtet gehalten, die Ehre seines Landes wider die hochmütigen Franzosen durch diese Schrift zu beschirmen und zu verteidigen. Mit grellen Farben schildert er die Politik und die Kriegsführung Lud- wigs XIV. Er schenkt ihm nichts, bis herab zu jenen Prahlereien, mit denen Denkmünzen auf den Sieg ge- schlagen wurden, ehe er noch erfochten war, z. B. einer Denkmünze auf den Feldzug des Jahres 1672, *) „Das verwirrte Europa oder Politische und Historische Beschreibung der in Europa, fürnehmlich in dem Vereinigten Niederland und in dessen Nachbarschafft, seither dem Jahr 1664 entstandenen und durch die gesuchte, allgemeine Monarchie der Frantzosen verursachten blutigen Kriegen und leidigen Empörungen nebenst deroselben Ursachen und Gründen . . . durch Petrus Valckenier J. C. Amsterdam 1677." Die beiden folgenden Bände wurden von Andreas Müller geschrieben und erschienen 1680 und 1683. — 8 — auf der der Löwe des holländischen Wappens über- wunden, die sieben Pfeile zerbrochen sind, während die andere Seite eine Sonne zeigt, die die Erddünste in die Höhe zieht und zerteilt. 1 ) Der wertvollste Teil des Buches ist derjenige, der sich mit den inneren Verhältnissen Hollands beschäftigt, von dem Tode Wilhelms II. an bis zu den ersten Ereignissen des französischen Krieges. Als Mitglied einer mit dem Hause Oranien in engster Verbindung stehenden Familie ist Valkenier der geborene Feind jener Oli- garchie, welche die Adelspartei während der Jahre 1650 — 1672 versucht hatte aufzurichten. Die Schil- derung dieser Umtriebe und deren jähes Ende durch die Ausrufung Wilhelms III. zum Statthalter von Hol- land und Westfriesland und durch die Ermordung der Brüder de Witt ist vortrefflich, sowohl durch Sach- kenntnis als durch Lebendigkeit der Darstellung. Ein Hauptvorwurf, den Valkenier der Adelspartei macht, ist die Verschleuderung der Staatsgelder an Vettern und Freunde, sowie an prunkvolle Gesandschaften ins Ausland. Durch solche Ausgaben sei Holland genötigt gewesen, Truppen abzudanken und Festungen ver- wahrlosen zu lassen zur Zeit, als Frankreich sich rüstete zum Angriff. 2 ) Valkenier hat dieses Werk zweifellos in holländischer Sprache geschrieben, denn lange nachher, nachdem er bereits dreizehn Jahre in Deutschland gelebt, klagt er 1689 noch über „die *) „Verw. Europa" S. 164. Die Inschrift dieser Münze: „Ich habe sie in die Höhe gezogen und verteile sie wieder" soll eine Anspielung sein, dass Holland nur durch Frankreichs Hilfe ein Staat geworden sei und jetzt durch dasselbe Frankreich wieder vernichtet werde. 2 ) S. 138 f. f. Die Reise de Witts zur Begrüssung des Königs von Polen z. B. soll dem Lande 70000 Gulden gekostet haben. — 9 — mühsamkeit," die ihm deutsche Briefe verursachen „als der Hoch Teutschen Sprach nicht völlig mächtig/ 11 ) Um dem Buch einen grösseren Leserkreis zu sichern, haben dann die Verleger nicht die holländische Ur- schrift, sondern eine deutsche Übersetzung derselben drucken lassen. An Kraft und Originalität des Ausdrucks hat das Werk dabei jedenfalls bedeutend eingebüsst.') Während Valkenier an diesem Buch schrieb, hatte er bereits seine Aufmerksamkeit den Verhältnissen in der Eidgenossenschaft zugewandt. Ausführlich und ziemlich gut unterrichtet bespricht er die französische Werbung in der Schweiz von 1672, den Kampf zwischen St. Romain und Malapert, sowie die Rück- berufung der Züricher und Berner Truppen. Nach Abraham Malaperts Tode hatte zunächst dessen Vater, David Malapert, die provisorische Führung der Geschäfte übernommen. Schon im September konnte derselbe dem Züricher Theologen Heidegger mitteilen, dass seinem Sohn in der Person des gelehrten Herrn Petrus Valkenier, eines Neffen des Amsterdamer Bürgermeisters, ein Nachfolger ernannt sei. Er freue sich über diese rasche Wahl und über die Erlaubnis, noch in der guten Jahreszeit abreisen zu können. 3 ) Inzwischen l ) A 170, 3. Valkenier an Rahn, 1. Januar 1689. 3 ) Den bekannten niederdeutschen Volksreim: Orange boven, en Witt onder, Die't anders meent, sla de Donder, hat der hochdeutsche Übersetzer wiedergegeben mit: „Orange steig empor, als Niederlands Erretter, De Witt muss under gehn, als Niederlands Zertretter, Wem dieses nicht gefällt, den treff der Donner-Blitz Und stürtze Ihn hinab in Pluto Höllen-Sitz!" | *) D 180/183, 27. September 1676. — 10 — liess Valkenier, oder seine Verleger, zum Abschied von der Heimat, sein Bild in Kupfer stechen und den neuerworbenen Titel daruntersetzen. Allein trotz der bereits erfolgten Ernennung und trotz der sie ver- ewigenden Inschrift kam er damals nicht in die Schweiz, sondern liess sich als holländischer Resident in Frank- furt nieder. 1 ) Dagegen erteilte Holland am 3. No- vember 1676 seinem Gesandten am kaiserlichen Hof, van Heeckeren, den Auftrag, als ausserordentlicher Gesandter in die Schweiz zu gehen, und für die Truppen der Alliierten Durchzug zu erwirken. Am 14. Dezember wird dieser Auftrag wieder rückgängig gemacht und Heeckeren mitgeteilt „er solle den Be- schluss ihrer Hochmögenden vom 3. November ohne Folge und Ausführung lassen und sich nicht in die Löblichen Kantone verfügen." 2 ) Dass Heeckeren den- noch 1676 in die Schweiz gekommen ist, beweist seine Einzeichnung in jenem Jahr in das Fremdenbuch der Basler Universitätsbibliothek. Am 1. Januar 1678 schreibt David Malapert aus Frankfurt an Heidegger : dass er sich Valkenier gegen- über ganz retirad verhalte, er habe auch die Frage nicht berührt, ,,wie es komme, dass dess Praedecessoris Commission nicht inhaerirt werde. Was für ein J ) Von einer Ernennung Valkeniers zum Gesandten für die Schweiz ist 1676 nichts im Haager Archiv zu finden ; sie scheint daher nur eine münd- liche gewesen zu sein. Valkeniers Bild findet sich Seite 1 „Das Verwirrte Europa." Die Unterschrift lautet: „Nobilis et Pereruditus vir Petrus Val- kenier Ernbricensis J. U. Dr. olim celeberr. Reipubl. Amstelodamensis Ad- vocatus, nunc Alt. et Praepot^nt. D. Dom. um. Ordinum Generalium Uniti Belgij ad Rempubl. Francofurt. ad Moenum Deputatus Ordinär, et ad Lau- dandos Helvetior. Canton. Deputatus Extraordinarius." 2 ) Reichsarchiv Haag. Secrete Resolutie. — 11 — Mysterium darunter verborgen vnd ob nicht etwa einighe dissuasion aus der löbl. Aydgenossschaft selbst, dass es ohnnötig oder vberflüssig, eingelaufen, lass ich dahin gestelt seyn, vnd ist's mir gantz verborgen, stehet mir auch nicht zu, me curiosum esse in aliena Republica." 1 ) Im Frühjahr 1683 ging Valkenier von Frankfurt als Gesandter der Generalstaaten zum Reichstag nach Regensburg, wo er mit einigen Unterbrechungen blieb bis September 1690. Im Auftrag des Züricher Magistrats richtete am 4. November 1685 Heidegger die Anfrage an Valkenier, ob er zu einer vertraulichen politischen Korrespondenz geneigt sei. Obschon Theo- loge, nahm Heidegger damals fast die Stellung eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten ein, der mit den fremden Gesandten und Ministern zu ver- handeln hat. 2 ) Valkenier ging auf dieses Anerbieten sofort ein: ,, . . . erachte mich glückseelig, mit dero- selben hierdurch in genauere freündschaft zugelangen, welches vermittelst der anerbottenen vertraulichen correspondenz geschehen kan . . . Ergreiffe demnach diese offerirte vnd lang erwartete gelegenheit mit beyden händen." Er bittet Heidegger, ihn den Häuptern der Stadt zu empfehlen und ihn zu benach- richtigen, „ob eine wöchentliche, sowohl hiesige Reichs- affaires, alss anders, das gemeine wesen concernirende Sachen betreffende Correspondenz verlangen oder aber sich nur nach Zeit und gelegenheit richten x ) D 180/183. *) Vgl. den Band D. 179/182, wo sich auch eine Korrespondenz Heideggers mit dem englischen Gesandten Coxe und eine mit dem branden- burgischen Minister von Dankelmann befindet. — 12 — wollen; auf beyde fälle will ich meine bereitwillige Dienst offerirt haben." 1 ) Es entspinnt sich nun ein politischer Briefwechsel Valkeniers mit Zürich, der fast fünf Jahre lang, vom November 1685 bis zum August 1690, ununterbrochen fortgesetzt wird. In hundertdreiundneunzig Briefen unterrichtet er den Magistrat über alles, was sich auf dem Reichstag zu Regensburg zuträgt und über das, was ihm aus Holland und aus den anderen europäischen Staaten zugeht. Sechsundzwanzig dieser Briefe sind von Valkenier eigenhändig geschrieben, die anderen nur von ihm unterzeichnet, aber häufig mit eigenhändigen Nachschriften versehn. Einen Teil der Briefe haben die Sekretäre Georg Arnold und Daniel Gottfried Thill, während Valkeniers gelegentlicher Abwesenheit von Regensburg, ausgefertigt. 2 ) Zürich scheint zunächst nur Benachrichtigung in x ) B. 28/101 fol. 1. Der Band trägt die ältere Bezeichnung: Katis- ponens, VII. Gleich in diesem ersten Schreiben (17. November 1685) macht Valkenier interessante Mitteilungen über Brandenburg in Bezug auf Eeligions- sachen. *) Der erste Teil dieser Korrespondenz, der an Heidegger gerichtet ist, findet sich unter dessen Nachlass auf der Stadtbibliothek in Zürich B. 28/101. Er reicht vom 17. November 1685 bis zu Ende des Jahres 1686 und enthält 35 Briefe. Der zweite Teil, Staatsarchiv Zürich A. 170, 3 und 4, umfasst die Zeit vom 17. August 1686 bis zum 26. August 1690 und ist nicht an Heidegger, sondern an den Stadtschreiber Joh. Heinrich Kahn gerichtet, der während einer Beise Heideggers den Briefwechsel übernommen hatte und ihn dann behielt. Er enthält 117 Briefe Valkeniers und 41 seiner Sekretäre. Ausserdem finden sich, namentlich im ersten Teü, viele Bei- lagen politischen Inhaltes. Es ist wahrscheinlich, dass noch ein weiterer Band Briefe an Heidegger auf der Züricher Stadtbibliothek existiert, da dieser in seiner Selbstbiographie (Vita Heideggeri) von seiner Korrespondenz mit Valkenier sagt: „integra volumina supersunt." Vereinzelte Briefe Valkeniers an Heidegger finden sich noch in D. 179/182 der Stadt- bibliothek, fol. 31, 33, 36, 54, 56, 108, 142, 176. — 13 — besonderen Fällen gewünscht zu haben, 1 ) allein sehr bald schon gestaltete sich die Sache zu einer regel- mässigen, wöchentlichen Berichterstattung, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Wiederholt bittet Valkenier, so „bey den Herren Cantons was secretes vorfället, beliebe mir (Herr Rahn) davon vertraute communi- cation zuthun, und solches nur mit einem asterisco zu marquiren, werd alles bestmöglich menagiren." 2 ) Später erbietet er sich, zweimal wöchentlich, sofort nach Eintreffen der holländischen Post zu schreiben; allein das erweist sich als unausführbar, weil es nur eine Postverbindung in der Woche zwischen Regens- burg und der Schweiz giebt. 8 ) Der Briefwechsel wird mit der grössten Vorsicht geführt Heidegger soll sich einen anderen Namen beilegen und die Briefe nicht unterschreiben. Was er an Valkenier schickt, soll adressiert werden: „An Herrn Peter Stilman, wohnhaft in Regensburg." 4 ) Niemand soll von den schweizerischen Mitteilungen etwas erfahren als der Prinz von Oranien und der Staatssekretär Fagel. Als dessen ungeachtet „Schweizerische nouvelles" in hol- ländischen Zeitungen auftauchen und Zürich sich darüber beschwert, da weist Valkenier den Vorwurf der Indiskretion entschieden von sich ab und vermutet in dem holländischen Residenten in Köln, Bilderbeek, und in dessen Korrespondenten in Bern die Urheber solcher Veröffentlichungen. 6 ) Seinen Sekretär Georg *) B. 28/101 fol. 13. *) A. 170, 3. ») 4. Dezember 1688. 4 ) B. 28/101 fol. 13 und 25. *) A. 170, 3. An Rahn 15. Januar 1689 und 17. November 1688. — 14 — Arnold entlässt er, weil dieser Geschäftssachen aus- schwatzt an einen fremden Gesandten, der sein Gönner sei. 1 ) Den Grund der Entlassung scheint Valkenier dem Sekretär nicht mitgeteilt zu haben, denn dieser wendet sich nach Zürich, um Aufklärung zu erhalten. 2 ) Trotz aller Vorsicht wusste man in Paris sehr bald um diese Korrespondenz, wie ein aufgefangenes Schreiben darthut, von dem Valkenier eine Kopie nach Zürich schickt. 3 ) Den Inhalt dieser Briefe bilden die gesamten politischen Vorgänge jener Jahre; die leitenden Ideen sind dieselben wie in dem „verwirrten Europa": Begeisterung für Oranien als den Retter Hollands und des Protestantismus, und Hass gegen Frankreich, verbunden mit dem unablässigen Be- streben, die evangelischen Kantone dessen Einfluss zu entziehen und sie zum Beitritt zur Allianz gegen Ludwig XIV. zu bewegen. Valkenier versäumt keine Gelegenheit, wo er Frankreich seinem Korrespon- denten in den schwärzesten Farben malen kann. Am 5./15. Januar 1686 berichtet er: man rede hier, als ob der König Basel und Genf zwingen wolle, ihre Bischöfe wieder einzulassen. In demselben Brief er- zählt er von dem französischen Gesandten in Regens- burg, Sr. Verjus, dass er sich allgemein verhasst gemacht habe. Nach einer Festlichkeit habe er seine und seiner Gemahlin Ringe in die Tasche stecken *) A. 170, 3. 23. August 1687. 2 ) Züricher Staatsarchiv. Weisses Eegister. Für die interimistische Führung des Briefwechsels hatte Arnold von dem Züricher Magistrat fünf- zehn Reichsthaler erhalten. A. 170, 3. 15./25. Februar 1687. 3 ) B. 28/101. Beilage: „6. Februar 1686 . . . were gar wohl be- khandt . . . (dass die evangelischen Kantone) eine genaue Correspondenz mit den Holländern underhielten, welches bey Hoff alles wohl consideriret werde." — 15 — wollen, aber daneben fallen lassen. Darauf sei ein deutscher Lakai, tun ihm das Eingeständnis des Dieb- stahls auszupressen, auf Befehl des Gesandten drei Stunden lang grausam gefoltert worden, während sich die Ringe im Festsaal wiederfanden und zurück- gestellt wurden . . . „hat auch solches die allgemeine Verbitterung wegen der Franzosen Tyranney merklich vergrössert." 1 ) Am 2. Februar 1686: „Man hat hier . . . schreiben . . . dass Frankreich ein gross dessein vor- habe, vmb einen oder anderen ... in der eyl übern hauffen zu werfen underdessen, dass der Keyser sich in Ungarn völlig occupirt befindet. Gegen wen es aber abgesehen sey, kan noch niemand gewiss er- fahren; am nächsten aber praesumirt man, entweder gegen die Vereinigten Niederland, oder gegen Chur Pfalz, oder aber meistens gegen die Löbl. Cantons, wozu des Königs von Frankreich Reiss nach dem Elsass auch einige praesumtion gibt ... Es wird hier insgemein darvor gehalten, wann die Löbl. Eidgenoss- schaft sich auf gewisse Conditiones mit auswärtigen Potenzen schon vorlängst defensive engagirt hatte, dass Selbige sich durch den Verlust des Herzogthumbs Lothringen, Burgunds, Elsass, Strassburg und Frey- burg nicht wie ietzo von Frankreich würde enclavirt befinden, und argumentirt man consequenter, wann solches noch nicht in Zeiten geschihet, dass die Löbl. Eidgenossschaft darüber noch einmal reu tragen werde." 2 ) Zu den Mitteilungen, die Valkenier eigen- händig schreibt, gehören vor allem diejenigen über den vom Prinzen von Oranien geplanten eng- *) B. 28/101 fol. 49. *) B. 28/101 fol. 61. — 16 — lischen Staatsstreich. Der Kampf gegen den „Anti- christ", das war für Valkenier und für alle guten Protestanten die Idee» die diesem Unternehmen zu Grunde lag und die ihm seine Berechtigung gab. Mit gespanntester Aufmerksamkeit hatte er alle Erschei- nungen in England verfolgt, aus denen hervorging, dass „selbige Königreich mit vollem Segel zum Pabst- thum segle." 1 ) Endlich teilt er in confidentia mit, dass jetzt nicht die Niederlande, sondern der Prinz persönlich durch eine Deputation der englischen Grossen berufen, gegen England losgehen werde. „Gott wil dises grosse werk zeegnen, sönsten würde es mit den Protestirenden übel ablauffen, welches ohne dem würde geschehn seyn, wan man denen Conjuncturen länger zugeschaut." Als der Staats- streich gelungen ist, da sieht Valkenier „Gottes wunderbahrliche hand darin, dass der Herr Printz von Oranien sich dreyer Königreicher versichert nur mit Verlust eines Cornetten und 19 a 20 gemeiner Soldaten." 2 ) Am 5. März 1689 macht Wilhelm von Oranien der Schweiz die Mitteilung, „dass Gott, der wie andere menschliche Dinge, so auch die Reiche nach seinem Ermessen ändere und ordne, ihn auf den Thron erhoben habe. Er zweifle nicht, dass die Eidgenossen- schaft ihm fröhlichen Herzens hierzu Glück wünschen werde. Freiwillig hätten ihm die englischen Grossen *) B. 28/101 fol. 63, 129, 149, 189 u. s. w. 2 ) A. 170, 3. 8. Januar 1689. Frey-Gryn., III., 19. Zwei Briefe des Basler Studenten Gernler vom 25. Oktober und vom 29. November 1689, der als Augenzeuge die Abreise des Prinzen von Oranien und der englischen Lords schildert. — 17 — die Krone angeboten, da sie vorher niedergelegt und verlassen worden sei. Unter den veränderten Ver- hältnissen werde er der Schweiz neue und vermehrte Dienste leisten. 1 ) Die evangelischen Kantone Hessen den König bitten, er möge die beabsichtigte Mit- teilung seiner Thronbesteigung durch einen Gesandten unterlassen, weil sonst bei den katholischen Orten Misstrauen entstehe. 2 ) Die letzteren verbaten es sich entschieden, in dem abzusendenden Glückwunsch auch nur erwähnt zu werden, da diese Königswahl gewalt- thätig und ungesetzlich sei. Das Schreiben, welches Johann Rudolph Escher (ein Sohn des regierenden Bürgermeisters) im Juli 1689 persönlich nach London überbrachte, 3 ) ging daher nicht im Namen der Eid- genossenschaft, sondern nur unter dem der evan- gelischen Kantone ab. Auf der Junitagsatzung 1689 teilte Zürich den evangelischen Orten das Schreiben mit, und es wurde dem Abschiede beigelegt. 4 ) Wilhelm von Oranien galt von nun an nicht nur für die Stütze des Protestantismus, sondern er war zum Mittelpunkt geworden für die gesamte Allianz gegen Frankreich, der sich mit Ausnahme der Eid- genossenschaft alle Mächte des östlichen Europas, ohne Unterschied der Konfession, anschlössen. Ende Sep- tember. 1688 war der lang vorhergesehene europäische Krieg zum Ausbruch gekommen durch Ludwigs XIV. Einfall in die Pfalz und in die rheinischen Kurfürsten- *) Das Schreiben ist unterzeichnet. „Witehall, 5*» Die Marty 1688/9. Regnique nostri Primi. Helvetico Corpori. Comes de Shrewsbury. Ampmum. Vesrum. Bonus Amicus Guilhelmus R. u ö. 2, I., 29. Kopie. 2 ) Abschiede VI., 2. S. 267. 8 ) Vogel, Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich. 4 ) Abschiede VI. S. S. 272, 274, 277. 2 — 18 — tümer. Im Oktober versammelten sich die Kantone zu einer ausserordentlichen allgemeinen Tagsatzung zu Baden, zum Zweck der Beratung einer einheitlichen Stellung der politischen Sachlage gegenüber. Man be- schloss: dem Kaiser die Erbeinigung und Frankreich den Bund zu halten, dagegen keiner der beiden Parteien beizutreten, sondern die Neutralität aufrecht zu halten. 1 ) Im Januar 1689 erklärte der französische Ge- sandte, Amelot, der Tagsatzung zu Baden: ohne das französische Bündnis zu verletzen, könnten sie dem Kaiser kein Volk bewilligen. Die Tag- satzung widersprach dieser Behauptung und er- klärte, dass es ihr freistehe, auch mit anderen Mächten Defensivtraktate abzuschliessen , nicht nur mit Frankreich. 2 ) Auf der folgenden Tagsatzung er- örterten die evangelischen Orte die Frage, welche Befehle man den in Frankreich dienenden Regimentern solle zugehen lassen, falls sie gegen Holland geführt werden sollten. Man wich der Beantwortung dieser Frage aus, indem man sich vorredete: ein solcher Missbrauch sei nicht zu befürchten, daher sei eine Heimberufung noch nicht geboten. 8 ) Nachdem im Juni 1689 die Kantone abermals einstimmig die Neu- tralität für die von ihnen festzuhaltende Staatsmaxime erklärt hatten, da suchte Amelot diesem Beschluss den Schein zu geben, als sei er eine notwendige Folge des französischen Bündnisses. 4 ) Zürich bestand a ) Abschiede VI., 2. S. 234. 2 ) Abschiede VI., 2. S. 250, 251. s ) Abschiede VI., 2. S. 266. 4 ) „ . . . il est certain que les projects et les traites, qui ont ete dresses et conclus ä Bade ne sont qu r une suite et une explication de paix perpetueUe et d'alliance." Abschiede VI, 2. S. 277. — 19 — auf der Beseitigung dieser Behauptung aus dem fran- zösischen Memorial, weil die eidgenössische Neutralität eine freiwillige sei und nur die Erhaltung des eigenen Landes zum Zweck habe. Der französische Gesandte drang auf eine starke Besetzung der Grenzen und erbot sich zur Zahlung der Kosten, denn Frankreich hatte das grösste Interesse daran, dass den Armeen der Alliierten hier der Durchzug versperrt werde. Das Anerbieten wurde angenommen; Zürich und Schaffhausen erklärten, dass dieses Geld unter dem Titel einer Abschlagszahlung auf rückständige Pen- sionen verrechnet werden solle. Die übrigen Orte schlössen sich dem an, weil es „reputirlicher sei". 1 ) Als Valkenier durch Kahn die Badener Beschlüsse und das Amelotsche Memorial erhielt, äusserte er sich wenig erbaut darüber. Das Memorial habe zwar einen schönen Schein, es sei aber nichts Reales dran. ,,Wan man den schaden, den die Löbl. Eydgenossische Unterthanen bey diesen Verhergungen und nachbar- lichen invasionen täglich leyden, mit gedultigen äugen kan ansehen und dabey abwarten, dass das Elsas und so viele städ und Dörffer, darahn der Eyd- genoschaft so gar viel gelegen, zu ein desert werden gemacht, so ist al mein raisonniren aus, und fürchte, dass der Eydgenoschaft davon grossentheils die Ursache wird bey gemessen werden, dan, was bis dato (in Baden) geschlossen, dienet dem Barbarschen *) Abschiede VI., 2. S. 268, 282. Die Darstellung Vulliemins „Geschichte der Eidgenossen", Band HL, S. 258: „Frankreich, in dessen Vorteil es lag, dass der Rhein durch die Schweizer wohl bewahrt werde, hatte nicht nur ihren Entschluss gebilligt, es schoss heimlich Gelder zur Bezahlung der Grenztruppen dar. . . . Nur Zürich wollte von französischem Gelde nichts wissen", ist nicht zutreffend. 2* — 20 — feind zum grossen nutzen, weilen durch verschlies- sung der päs nicht er, sondern allein die Alliirten in ihrem guten Vornehmen gehemmet werden . . . Wan man die stät Strassburg, Colmar etc. last vertilgen, wie mit Speir etc. geschehn, so gedenke man, was man von der Schweitz wird halten, da doch die gantze weit es gäntzlich davor hält, dass wan die Löbl. Eydgnoschaft es wil vorkommen, Selbiger nur ahn ein ernsthaftes wort und resolution haftet, zu mahlen da man bey diesen conjuncturen Eydgenos- sischer Seiten Vrankreich nicht mehr, wie vorhin hat zufürchten , da man , wie vorhin einmahl gedacht, sich der benachbarten brillen würde können ent- ledigen, die angräntzende Ohrt und Stät salviren, und sich in ein künftige Sicherheit gegen das Haus Ostreich stellen; viel andere avantages, so die repu- tation und den nutzen rühren zu geschweigen, noch auch zu gedenken, wie mannigmahl die Frantzosen ihre mit der L. Eydgnoschaft habende Tractaten violirt, und selbige gäntzlich disrespectiren würden, wan ihre verfluchte raison de guerre, so doch vor ehrlichen leuten ein Ens rationis ist, ein anders er- fordert. Man hätte hier vielfältige gute und statliche raisonnementen , wan man sich herauss lassen wolte, aber Basta." 1 ) Valkenier wünscht, dass in Frank- reich eine Revolution ausbrechen möchte, das sei ,,ein remedium, um cito, tuto et jucunde solche nation zu raison zu bringen, welche die gantze weit hat wollen dupiren". 2 ) Nun habe Frankreich, schreibt er am 2. Juli 1689, ,, ausser der Löbl. Eydgenosschaft J ) A. 170, 3. 18. Juni 1689. 2 ) A. 170, 3. — 21 — keinen guten Freund mehr, darzu hats sein eygen Hochmuth, untreu und Gottes Vergessenheit, wo nicht gar seine Atheisterey gebracht, und wird es nun auch abwarten müssen, wie andere mit Ihm handien und hausen werden. Dass doch die Französisch Ge- sinnete in der Löbl. Eydgenosschaft in Zeiten auf die Sicherheit Ihrer Frontieren gegen das künftige wolten bedacht seyn, es wäre noch Zeit, sonsten förchte ich herzlich, man wird sich daselbst allerseits darüber dermahlen noch sehr beklagen, und befinden, dass es nicht genug seye, dass man sich selbsten damit flattirt, die Parthey gegen die Frantzosen seye nun schon gross genug, dass man sie Eydgenossischer seithen nicht mehr hat zu förchten, alss ob die Kaysserliche Nachbarschaft gar keine ombrage gebe, wann man Hünningen etc. einmahl erobert, welches villeicht ehender geschehen könte, alss mancher sich anjetzo einbildet, dann wann man ihnen einmahl recht in das Herz dringet, werden die äussersten Glider am ersten zerfallen." 1 ) Auch Dänemark habe jetzt den Traktat (der Allianz gegen Frankreich) unter- schrieben, heisst es in einem anderen Brief, nun werde man gesamter Hand agiren, Schweden werde mit seiner Flotte helfen und so werde man binnen kurzem Wunder erleben. Er fordert, die Schweiz möge doch nun auch endlich eine rechtschaffene Resolution fassen. „Ich habe meinem Hochgeehrten Herrn mehrmahlen eine kleine erinnerung der affairen halber gethan, nimmer aber darauf die geringste re- flection oder antword zurük krigt. Wan desshalben in vertrawen etwas communicabels seye, bitte ich da- *) A. 170, 3. — 22 — ' rumb, mit Versicherung, dass es der Löblichen Eyd- genossschaft mehr nutzen als schaden beybringen wird." 1 ) Aus diesem Brief geht hervor, dass man in Zürich Valkeniers Aufforderungen, die Neutralität aufzugeben, bis dahin mit Stillschweigen übergangen hatte. Dieses letzte Schreiben wurde am 3. Juli dem Rat vorgelegt und der Beschluss gefasst: Valkenier soll in Ausführlichkeit berichtet werden, dass das Interesse der Eidgenossen auf Frieden und Ruhe und der hergebrachten Neutralität basire und dass es wider alle ihre Staatsregien laufen würde, wenn sie sich für die eine oder die andere der kriegenden Parteien erklären wollten. 2 ) Ein Ratsbeschluss vom 29. Juli beschäftigt sich abermals mit einer Aufforderung Valkeniers: das von dem Stadischen Envoyö Extraordinaire zu Regensburg eingelangte sehr bedenkliche Schreiben soll Bürger- meister Hirzel nach Baden mitgeteilt und nach Einlaufen von dessen Gutachten die Antwort beraten werden. 3 ). Hirzel äusserte sich darüber folgender Massen : „Hoch- ehrender Herr Schwager Stadtschryber Veber das vs oberkeitlichem befelch mir communicirtes schryben von Herrn Valkenier bedüte Ich hiemit myn begertes gut- achten mit wenigen ohnmasgeblich , das ich daruor halte man mit der Continuation derglychen schritten wexlen wenig nützliches vsrichten werden, dann was S. Valkenier wider eine Eidtgnoschaft erinnert ist aller Keyserlichen Alliirten unmasgebliche mei- *) A. 170, 3. 25. Juni 1689. *) Katsprotokoll Zürich. S. S. IL, 3. Juli 1689. Obschon es sich hier um amtliche Antworten handelt, so vermochte ich dennoch in den Missiven keine Spur von diesem Briefwechsel aufzufinden. ■) Eatsprot. Zürich. S. S. II., 29. Juli 1689. — 23 — nung. Zwaren were unsersyts zu unser entschul- digung das ein und ander auch wol zu repliciren, besser aber von mund als in schritt, Interim alles was erinnert wirt auch wol zu examiniren vnd gegen unsers Yaterlandts Interesse fürsichtiglich zu appli- ciren syn; wie Ich jüngst zu Baden gespürt, dass auch andere Lobliche Ort beider Religionen in der- glychen gedankhen begriffen. Je mehr wir uns werdent einer untadelhaften neutralitet beflysen können, je minder wir uns werden zu verantworten haben, darzu uns der hebe Gott syn gnad vnd segen ver- lyhen vnd ein Lobliche Eydtgnoschaft in bestendigem friden, ruh vnd wolstand auch vff richtiger Einigkeit erhalten wolle. 30. Juli 1689. Joh. Caspar Hirzel." Der Magistrat beschloss hierauf am 7. August: das von Rahn projektirte Antwortschreiben „mit etwelchen Erleuterungen wegen des pf erdkauf s, des werbens in meiner gnädigen Herren Orten, abzu- lassen. €tl ) Es mag zum Teil Valkeniers unablässigem Drängen zuzuschreiben sein, dass Zürich am 13. Sep- tember 1689 dem französischen Gesandten die ent- schiedene Erklärung zugehn liess: wenn die an den Rhein geführten Schweizerischen Regimenter nicht sofort vom Reichsboden entfernt würden, so werde Zürich seinen Hauptleuten befehlen, den französischen Dienst zu quittieren. 2 ) Gegen Ende des Jahres nahmen 2 ) S. S. II. 1689, 7. August. Die Bemerkung wegen des Pferdekaufs und der Werbung zeigt, dass es sich hier um die Antwort auf ein Schreiben Valkeniers handelt, das nicht in der Rahnschen Sammlung enthalten ist. Wahrscheinlich ist es durch die Sendung an Hirzel verloren gegangen. 2 ) B IV. 165, fol. 37. — 24 — die Züricher Zeitungen sogar einen so feindlichen Ton gegen Frankreich an, dass Amelot sich darüber beschwerte. x ) Neben den Kriegswirren bildete die gemeinsame Sorge für die Waldenser einen beständigen Berührungs- punkt zwischen Holland und der Schweiz. Im April 1687 beschloss die Konferenz der evangelischen Orte zu Aarau die Sendung des Stadtschreibers David Holzhalb an die reformierten Höfe und nach dem Haag, um für die Thalleute ,,Unterschlauff und Herberg" zu suchen. 2 ) Valkenier, der in jenem Jahr in Holland verweilte, bahnte Holzhalb nicht nur den Weg in den nieder- ländischen Städten 3 ), sondern er bemühte sich auch persönlich, der Schweiz die Last der in erdrückender Überzahl erschienenen Flüchtlinge durch anderweitige Unterbringung zu erleichtern. Er suchte die Ost- und Westindische Compagnie zu bestimmen, Piemontesen nach dem Kap der guten Hoffnung zu verpflanzen. Dieser Plan, der sich wegen der hohen Reisekosten zerschlug, tauchte noch Jahre lang immer wieder auf. Wenn die Thalleute Handwerker wären, heisst es in Valkeniers Schreiben an Rahn und Heidegger, dann könnte man sie in Holland unterbringen, aber für Bauern habe man dort keinen Platz. Gegenwärtig berate man in der Versammlung der Staaten der Provinz Holland über das Schreiben der Eidgenossen- *) E I, 23. Als Beispiel feindlicher Haltung der Gazettes de Zürich nennt Amelot namentlich ein Blatt vom 9/19. Dezember 1689. *) Abschiede VI, 2, Seite 189, 190. Der Ersparnis halber wurde Holz- halb nicht als Gesandter, sondern unter dem Titel eines „Sekretarius" geschickt. Er erhielt zwei Gulden für sich und einen halben Gulden für seinen Diener als tägliche Entschädigung. 8 ) A 170, 3, 12/22. Mai 1687. — 25 — schaft. Es sei, bei der Unmöglichkeit, in anderer Weise für die Piemontesen zu sorgen, eine Kollekte beschlossen worden. Sie würde noch reicher aus- gefallen sein, wenn die Mennoniten „ihre gewöhnliche Liberalität nicht expresse eingeschrenkt hätten, weilen man in der Schweiz (wie sie vorgeben) ihre Brüder gefangen hält, ungeacht Sie umb derselben Erlösung schon vor diesem viele vergebliche Mühe angewendt und Herrn Holtzhalb desswegen durch Ihren Prediger vnd Doctorem Galenum anreden lassen, worauf Sie den Effectum noch mit Schmerzen erwarten und, wie mir ein vertrauter Freund aus Amsterdam schreibt, würde man von denenselben seines Erachtens vor die Losslassung ihrer erwehnten Brüder zum Steuer der Armen Piemontesern noch wohl ein important Stück Gelds erhalten können." 1 ) Im November 1687 erstattete Holzhalb der Kon- ferenz der evangelischen Orte zu Aarau Bericht über seine Kollektenreise. Eine dreifache goldene Kette, im Werte von 254 Kronen, welche er von den Generalstaaten zum Geschenk erhalten, legte er, wie das Gesetz vorschrieb, der Obrigkeit auf den Tisch, und erhielt sie dann wieder von dieser zurück. 2 ) Der Kurfürst von Brandenburg erbot sich, zwei Tausend Waldenser in seinem Lande unterzubringen. Die evangelischen Kantone waren um so bereitwilliger, sie dorthin zu versenden, als sie dann weit weg seien *) A. 170, 3 an Rahn 8/18. November und 15. November 1687, 3. Januar 1688, 15. Mai 1688, daselbst auch Zahlenangabe der Beiträge, welche die einzelnen holländischen Städte geleistet. An Heidegger: B. 28/101 fol. 475, 479. ') Abschiede VL, 2. S. 209. — 26 — und man nichts mehr mit ihnen zu thun habe. 1 ) Die Leute wehrten sich jedoch verzweifelt gegen die Ab- reise nach Brandenburg. Die Generalstaaten ver- wandten sich für sie, dass man ihnen hierin keine Gewalt anthun möge, worauf die evangelischen Kantone antworteten: die Waldenser verdienten nicht so viel Rücksicht, weil sie sich weigerten, das ihnen gebotene neue Vaterland anzunehmen und durch diese ferne Auswanderung ihren in der Heimat gefangenen Geistlichen und Kindern die Freiheit zu erwirken. Die Abneigung der Leute gegen Brandenburg war jedoch so gross, dass viele erklärten, sich lieber tot- schlagen zu lassen, als aus der Schweiz hinausgehn. 2 ) Im Jahr 1688 schickte Holland einen Kommissar, der für die Verteilung der Kollektengelder und für die Unterbringung der Waldenser ausserhalb der Schweiz sorgen sollte. 8 ) Es war Gabriel Convenant, Rat des Parlaments von Orange, jenes kleinen, an der Rhone gelegenen Besitztums des Hauses Nassau, nach dem die Oranische Linie ihren Namen führt. 4 ) *) Abschiede VI., 2, S. 210. *) Daselbst, S. 216, 225. 8 ) A. 217, 2. Schreiben vom 7. Februar 1688. In einem Schreiben vom 24. April 1688 teilten die Generalstaaten mit, dass sie 10000 Reichsthaler für die Piemontesen nach Basel geschickt. Züricher Missive B. IV., 163, fol. 59. 4 ) S. S. II. fol. 19 und 20, erwähnt am 30. Juli und am 1. August Convenant als den Abgeordneten Hollands zur Versorgung der "Waldenser. Die Angabe auf Seite 2627, Abschiede VI., 2, über die Dauer seines Aufenthalts ist dahin zu berichtigen, dass Convenant vom Anfang des Jahres 1688 bis zum 23. Januar 1691 in der Schweiz war. In den Mis- siven Zürich B. IV., 163 fol. 179, findet sich das Konzept eines Rekreditivs für ihn vom 3. Oktober 1688. Wie es scheint, sollte er damals zurück- kehren, musste aber wegen Ausbruch des Kriegs und der hierdurch ein- tretenden Verschlimmerung der Lage der "Waldenser in der Schweiz bleiben. — 27 — Zu Anfang Oktober, kurz nach Ausbruch des Krieges, berichtet Convenant nach Zürich, dass einige Tausend der Flüchtlinge, die in der Pfalz und in Württemberg Unterkommen gefunden hatten, wieder auf der Rückreise nach der Schweiz begriffen seien. 1 ) Als die evangelischen Kantone sich weigerten, sie wieder aufzunehmen, da drangen die Waldenser dennoch über die Grenze, versteckten sich in die Wälder, wo sie von Wurzeln und Kräutern lebten und dem Untergang nahe waren. So nahm man sie denn wieder für den Winter auf, verlangte aber ent- schieden ihre Entfernung für das Frühjahr. 2 ) Am 2. März 1689 erbot sich Holland, den Unterhalt für Das vorübergehende Zerwürfnis Savoyens mit Frankreich hatte zwar den Waldensern eine Rückkehr ermöglicht, allein die Notlage blieb bestehen. Daher der lange Aufenthalt des holländischen Kommissars, der erst abreiste, als Valkenier die Führung auch dieses Geschäftes übernommen hatte. In den Züricher Missiven (B. IV., 164 fol. 195) wird am 7. Januar 1689 den Generalstaaten ein Offizier, Alphonse de Rolas von Rolle, zur Beförderung in eine höhere Charge empfohlen, weil er in den Verhand- lungen der evangelischen Kantone mit den Generalstaaten über die Thal- leute „ohnvertrossene müeh und ohngespahrten fleiss verspühren lassen." *) S. S. II. fol. 58. An demselben Tage wird der Beschluss gefasst, Convenant in Zürich gastfrei zu halten. Abschiede VI., 2. S. 240 f. f. Konferenz der evangelischen Orte während der Tagsatzung zu Baden, Oktober und November 1688, wo Convenant Bericht erstattete. Züricher Missive, B. VI., 163 fol. 201. Ein Schreiben der evangelischen Orte an die Generalstaaten vom 22. Oktober 1688 über den erbärmlichen Zustand der Waldenser, die in der Pfalz und in "Württemberg wegen „der Kriegs-Troubles Ihren Unterschlupf nicht finden können" und die man wegen zu befürchtender Unannehmlichkeiten mit den katholischen Kantonen, nicht mehr aufnehmen wolle; dass sie infolge dessen „in Hunger und Frost auf der irre schweiften." Die Generalstaaten möchten den Waldensern doch zureden, die in Brandenburg und Holland angebotene Zufluchtsstätte an- zunehmen. ') Abschiede VI, 2. 8. 266. — 28 — die Waldenser zu zahlen, wenn man sie nur noch so lange behalten wolle, bis es möglich sei, sie nach Grossbrittanien zu schaffen, wo Wilhelm III. sie an- siedeln wollte. 1 ) Convenant hatte im Auftrage der Generalstaaten wöchentlich für den Mann 25 Sous, für die Frau 20 und für jedes Kind 13 Sous an- geboten. Der Züricher Rat erklärte am 9. März, diese Summe bei den teuern Zeiten für unzulänglich; auch solle mit Convenant wegen der verschlissenen Kleider verhandelt werden. Schon am 11. März folgte der Beschluss, Convenant einzuschärfen, dass es von jetzt an seine Sache sei, dem gegebenen Versprechen gemäss, für Nahrung und Kleidung dieser Leute zu sorgen. Auch solle nach Holland ge- schrieben werden, dass Kommissäre nach Frankfurt geschickt werden müssten, um die Piemontesen abzu- holen und weiter zu befördern, da man sie durchaus nicht mehr behalten wolle. Am 21. März soll Con- venant zu einer bestimmten Antwort veranlasst werden, wohin er sie schaffen wolle, auch solle für Pass und Reisevorbereitungen gesorgt werden. Am 4. April soll Convenant mitgeteilt werden, dass die evange- lischen Orte entschlossen seien, die Piemontesen bis zum 10. April ,,aus ihren Landen hinwegzuschaffen." Es waren das Beschlüsse, die nicht zur Ausführung kamen, denn am 10. April finden wir statt dessen den Züricher Magistrat mit einer Beratung über Schuhe und Strümpfe für die Leute beschäftigt. Holland schien Convenant nicht mit dem nötigen Geld versehn zu haben, denn es soll ihm ein Darlehn aus dem Salz- ') S. S. H. fol. 45. — 29 — amt gegeben werden. 1 ) Dringend bittet Valkenier, in einem Schreiben vom 9. April 1689, die Waldenser nicht fortzuschicken, so lange nicht in Irland alles zu ihrer Aufnahme gehörig vorbereitet sei und nament- lich nicht, so lange das französische Kriegsvolk die Strassen am Rhein unsicher mache. Sie würden wie Schafe dem Wolf in den Rachen laufen: „Die Frantzosen halten bei jetzigen zeiten gar keine parole mehr, fürnemblich aber unsern Glaubensgenossen." Holland werde sich mit äusserstem Fleisse um die Waldenser annehmen, wenn man nur warten wolle. 2 ) Im Mai kam es wegen deren Verpflegung zu einem Streit mit dem holländischen Abgesandten vor dem Züricher Gericht. Der Ratssubstitut Holzhalb klagte, dass Convenant in einem hitzigen Schreiben nach Holland ihn beschuldigt habe, er hätte in öffentlicher Rats Versammlung ohngleiche Reden über Se. Majestät in England und über die Generalstaaten geführt, dass sie ihr gegebenes Wort nicht gehalten hätten. Con- venant wurde „auf den Schneggen" geladen, um sich zu verantworten und denjenigen namhaft zu machen, der ihm das mitgeteilt. Er suchte sich damit heraus- zureden, dass Holzhalb selbst ihm gegenüber solche Äusserungen gethan hätte. Dieser beruhigte sich je- doch nicht dabei, sondern verlangte obrigkeitlichen Schutz gegen diese „empfindtliche Verschreyung." Er Hess seine Darlegung des Sachverhalts durch den Magistrat bestätigen und erhielt die Erlaubnis, sie unter Amtssiegel an beliebige Orte zu versenden. 3 ) *) Züricher Ratsprotokolle S. S. 1689. *) A 170, 3. *) TL S. I 1689 22. Mai und 25. Mai. — 30 — Am 25. März hatten die Generalstaaten den nach der Schweiz reisenden Heidelberger Theologen Fabritius beauftragt, Convenant in seinen Bemühungen für die Waldenser Hilfe zu leisten. Ausserdem hatte Fabritius noch den allgemeinen Auftrag, nach besten Kräften die Interessen der Vereinigten Niederlande in der Schweiz wahrzunehmen. In Bezug auf die Waldenser handelte es sich namentlich um die Ausführung eines Plans, welchen deren Führer, Henri Arnaud, dem Prinzen von Oranien vorgelegt und der dessen Bil- ligung gefunden hatte, nämlich um den Plan, mit Waffengewalt die Rückkehr nach Savoyen zu er- kämpfen. ,,Es wird," schreibt Valkenier am 7. Mai 1689 an Bahn, „der Herr Professor Fabricius nun in der Schweitz ankommen seyn, welcher von Ihro Hoch- Mög. eine geheime Commission hat. Es hat an dem gestanden, dass ich auf special Keyserliches begehren, balt einmahl auf die Schweitz wäre herüber kommen, wan nicht ein gewisser punct wäre im weg gewesen, vnd haben Ihro Hoch Mögenden dem König von Engeland die sache zu nähere deliberation über- geben, massen noch ungewiss ist, was darauf wird resolvirt werden." 1 ) Fabritius, der sich nur wenige Wochen in der Schweiz aufhielt, berichtet am 27. Juni von Regensburg aus an die Generalstaaten : Convenant habe seines Rates und seiner Hülfe durchaus nicht be- durft; daher habe er für die Waldenser nichts thun können, als „eine gewisse Abneigung und Hass, den ich bei einigen Regenten der evangelischen Kantone gegen sie bemerkt habe, zu besänftigen, damit sie den Piemontesen wenigstens nicht noch mehr entgegen- *) A. 170, 3. — 31 — arbeiten." Die letzteren aber habe er ermahnt, vor- sichtig zu sein, damit die Schweiz nicht genötigt werde, sich ihnen zu widersetzen. Er habe sie zu überzeugen gesucht, dass alles, was Convenant thue, auf unmittel- baren Befehl Wilhelms von Oranien und der General- staaten geschehe. Während der Tagsatzung zu Baden (26. Mai — 10. Juni 1680) habe er absichtlich in dem- selben Hause mit Muralt von Zürich Wohnung ge- nommen, um mit ihm desto unauffälliger wegen der Piemontesen verhandeln zu können. 1 ) Er habe ihm jedoch nicht das Vertrauen erwiesen, ihn in den Plan (le dessein) einzuweihen, denn von den evangelischen Kantonen sei dafür keine Hülfe zu erwarten. „Es scheint, dass die protestantischen Kantone zu viel Rücksicht auf die Katholiken nehmen und unmerklich in eine schmähliche und gefährliche Abhängigkeit verfallen. Das geschieht jetzt mehr als je durch die Bänke und Künste (intrigues et artifices) des Herrn Amelot." 2 ) Der Plan der bewaffneten Bückkehr der Waldenser wurde in der That durch die holländischen Agenten so vorsichtig betrieben, dass sich in den zeitgenös- sischen Akten der Schweiz nur wenige Spuren davon finden. 3 ) Am 29. Juli 1689 beschloss der Züricher Bat an Bern zu schreiben: man habe mit Lieb ver- *) Ratsherr Caspar von Muralt, der die Verhandlungen für die Wal- denser zu fuhren hatte. *) Schreiben des Fabritius, Regensburg, 27. Juni 1689. *) Mörikofer „Geschichte der evangelischen Flüchtlinge in der Schweiz 11 S. 266 f. f. Das Verhältnis der evangelischen Kantone zu den Waldensern dürfte in diesem Werke wohl als ein zu sympathisches geschildert sein. Im Anfang waren allerdings sowohl die Waldenser wie später die französischen Refugies mit grosser Liebe aufgenommen worden. Allein diese Gesinnung änderte sich allmählich bis zum Gegenteil. — 32 — nommen, dass sie Anstalt gemacht, dass die Piemon- tesen nicht einen gefährlichen Anschlag ins Werk setzen. Convenant aber solle gefragt werden, was ihm wegen dieses Anschlags bekannt sei. 1 ) Am 7. August erklärte Zürich im Namen der evangelischen Orte dem savoyischen Gesandten, dass das Gerücht von einem solchen Plan unbegründet sei. 2 ) Noch im selben Monat setzte sich ein bewaffneter Trupp Wal- denser von Graubünden aus in Bewegung, um quer durch die Schweiz nach Savoyen zu ziehen. Ein Teil wurde beim Durchmarsch durch die katholischen Kantone gefangen genommen nnd an den Herzog ausgeliefert. Die Übrigen schlugen sich glücklich durch, vereinigten sich mit andern ebenfalls im Geheimen ausgerüsteten Trupps und erkämpften die Rückkehr in ihre Thäler. Luzern interpellierte auf der Tagsatzung zu Baden (11. September 1689) die evangelischen Orte: wie sie es könnten geschehen lassen, dass der holländische Minister Convenant mit so viel Geld diese Leute unterstütze und hierdurch die Neutralität gefährde und die Schweiz der Rache Frankreichs und Savoyens aussetze. Auf derselben Tagsatzung (14. September) überreichte Amelot ein Memorial: es sei durch die Verhöre der gefangenen Waldenser in Uri und Schwyz festgestellt, dass dieser bewaffnete Rückzug mit den geheimen Umtrieben Hollands in der Schweiz im Zusammenhange stehe und dass der in Zürich sich aufhaltende Convenant diese Leute mit Waffen und Geld ausgerüstet habe. 3 ) x ) s. s. n. 2 ) Abschiede VI., 2. S. 300. *) Abschiede IV., 2. S. 296 f. f. 33 Während Convenant sich ausschiesslich mit der Sache der Waldenser zu beschäftigen hatte, so bestand die eigentliche Aufgabe des Theologen Fabritius darin, eine genaue Einsicht zu erlangen über die in den einzelnen Kantonen herrschende politische Gesinnung. Er habe, berichtet er am l./ll. Dezember 1689 an die Generalstaaten, sein Möglichstes gethan, um die inneren Verhältnisse in der Schweiz zu ergründen, die besonderen Ursachen der Schlaffheit dieser grossen helvetischen Körperschaft und die Heilmittel dafür an- zuzeigen. Was die katholischen Kantone betreffe, so habe er über sie den kaiserlichen Ministern zu Regens- burg Bericht erstattet, den sie sofort an die Höfe von Rom und Wien geschickt. Seine Ermittelungen aus den evangelischen Kantonen aber habe er Valkenier mitgeteilt, auch die Interessen der vornehmsten Schweizer Familien ; er habe ihm die Persönlichkeiten genannt, gegen welche man offen sein könne, und die, mit welchen man nur mit Vorsicht reden dürfe. „Ich habe ihn u. a. auch auf eine gewisse Persön- lichkeit aufmerksam gemacht, mit der er verkehrte und die er für sehr wohlgesinnt hielt, während sie in Wirklichkeit der Gegenpartei angehört oder wenigstens der guten Sache sehr geschadet hat durch Unklug- heit und wenig Verschwiegenheit. Er zeigte sich erfreut über diese Information und unterhielt infolge- dessen eine sehr gute Korrespondenz in Zürich. Er zeigt, dass die Angelegenheiten der Schweiz ihm wirklich am Herzen liegen." Fabritius bezeichnet als die Fragen, denen er seine Aufmerksamkeit haupt- sächlich zugewandt, folgende: 1. Wie kann man die Schweizer von der fran- 3 — 34 — zösischen Allianz loslösen und sie mit den AUiirten engagieren? 2. Wie steht es um die Rückberufung ihrer Truppen ? 3. Wie um die französischen Werbungen und Rekrutierungen? 4. Wie um den Durchzug bei Rheinfelden und bei Äugst? Fabritius schildert die Schweiz durchweg als sehr französisch gesinnt, weil Frankreich es verstanden habe, die Interessen der vornehmsten Familien an sich zu fesseln. Er rät, Holland möge diesem Beispiel folgen und sich in der Schweiz eine militia togata heranziehn, indem es in Leiden, Groningen, Utrecht und anderswo Freistellen für studierende Schweizer gründe, die dann später von Einfluss in den Re- gierungen seien. „Das scheint vielleicht ein pedan- tischer Vorschlag, aber sei er, wie er wolle, der König von Frankreich bedient sich dieses Mittels mit grossem Vorteil . . . Ich weiss, dass es sogar protestantische Geistliche giebt, die durch dieses Band einige Anhäng- lichkeit an Frankreich haben. *) Wenn ich nach Zürich *) Das französische Studentenstipendium, das Fabritius hier erwähnt, stammt aus der Zeit der Burgunderkriege und war durch spätere Könige vermehrt worden. Im XVII. Jahrh. war es auf 200 Livres angewachsen, während es z. B. 1558 erst 50 Livres betragen hatte. Die Zahl der Stipen- diaten blieb dagegen stets dieselbe, zwei aus jedem Kanton. In einer Solo- thurner Urkunde von 1483 wird zur Empfehlung der beiden Vorgeschlagenen schon erwähnt, dass deren Väter „gut Kungisch" seien. Einen regelmässigen Gebrauch machten die Kantone, wie es scheint, nicht von diesem Stipendium, denn 1694 bittet z. B. ein Basler Advokat darum, der sich am Barreau von Paris befindet, weil niemand es benutze und weil das Geld daher der königlichen Eentkammer verbleibe. Das Stipendium währte bis auf Karl X. und noch in den siebenziger Jahren unsres Jahrhunderts lebten Einzelne in der Schweiz, die es in ihrer Jugend genossen hatten. Mitteilungen aus den Staatsarchiven zu Solothurn, Luzern und Basel. I — 35 — komme, werde ich auch mit Herrn Goxe reden wegen solcher Stiftungen in Oxford und Cambridge. Mit wenig Geld kann man eine Kompagnie militia togata in allen protestantischen Kantonen unterhalten, ohne dass jemand etwas dagegen sagen kann. Favor stu- diorum, communio Religionis etc. entschuldigt alles." „Da ich keine bestimmte Instruktion (Instruction par- ticuliöre) gehabt habe, so war ich genötigt, meinen eigenen Ideen zu folgen, es wäre daher nicht zu ver- wundern, wenn ich nicht richtig gehandelt, und in der kurzen Zeit, die ich in der Schweiz war, zu viel oder zu wenig gethan hätte. Wie dem auch sei, so wird es ohne Pre Judiz für den Staat sein, weil ich nicht in seinem Namen gehandelt habe." 1 ) Am 5. November desselben Jahres gaben die Generalstaaten Fabritius abermals Aufträge für die Schweiz. Diesmal benützte man nicht eine gelegent- liche Reise des Gelehrten, sondern er wurde als Gesandter hingeschickt, um bei diesen „bekümmer- liehen Zeiten und verworrenem Zustand der Christen- heit" die vertraute Freundschaft zwischen Holland und der Schweiz zu unterhalten. 2 ) „Die Hoch- mögenden", schreibt Valkenier am 1. Dezember 1689 an Heidegger, „haben den Herrn Professorem Fabri- cium begehrt, dass er sich wieder nach die Schweitz *) Eeichsarchiv Haag, Secrete Brieven von Fabritius, 27. Juni 1689, 29. Juli 1689, 1/11. Dezember 1689, 7. Februar 1690, 9/11. Februar 1690. *) A 217, 2. Kreditiv vom 5. November 1689. Heidegger berichtet, es sei Fabritius freigestellt worden, ob er mit dem Charakter eines ausser- ordentlichen Gesandten der Niederlande in der Schweiz auftreten wolle oder nicht. Seine Bescheidenheit habe ihn bestimmt, diesen „leeren Schein 11 beiseite zu lassen und dagegen seine ganze Kraft auf die ihm angewiesene Arbeit zu verwenden. Vita Heideggeri CLVI. Leu a. a. 0. versetzt diese Eeise irrtümlich ins Jahr 1696. — 36 — begebe und dort ins geheim negotiren solle". 1 ) Fabritius war jedoch, als er den Auftrag erhielt, krank und kam daher erst am 2. März nach Zürich. Das veraltete Datum seines Kreditivs erregte bei dem Rat einiges Bedenken. 2 ) Unmittelbar nach Fabritius Ankunft traten auf seine Veranlassung die Führer der Waldenser und die der französischen Kefügianten zu einer Konferenz zusammen, um über alles bisher Geschehene Bericht zu erstatten. Er schreibt am 6/16. März den Generalstaaten: der Haupteindruck, den er von der Sache gewonnen, sei der, dass bis jetzt viel geredet, aber wenig gehandelt worden sei, „faute d'ordre et d'argent." Seine sehr ausführliche Korrespondenz während dieser Gesandtschaftsreise beschäftigt sich fast ausschliesslich mit den An- gelegenheiten der Waldenser. Zu seiner Reise nach Bern und Genf nahm er Heidegger, sein „alter ipse", als Begleiter mit und zwar wie letzterer in seiner Selbstbiographie sagt, um auf der Fahrt über Kirche und Wissenschaft ungestört reden zu können, was in Zürich durch den Zudrang der Besuche un- möglich gewesen. Damit es nicht den Anschein habe, als ob Holland in den Angelegenheiten der Waldenser durch die Züricher Theologen geleitet werde, vermied Heidegger in den Städten das Zusammensein mit seinem Freund. Die beabsichtigte Weiterreise nach Turin musste aufgegeben werden, da Fabritius er- krankte. Im August schreibt er den Generalstaaten, dass ein ,,concours de maladies" ihn nötige, seinen Auftrag niederzulegen. Er dankt, dass man ihm *) D 179/1821 fol 42. 2 ) S. S. L, 12. März 1690. — 37 — ,, einen Teil des Geschäftes, betreffend die Wiederan- siedelung der Waldenser in den Thälern von Piemont und die Loslösung der evangelischen Kantone von den Interessen Frankreichs anvertraut." 1 ) In Holland hatte man indessen ein ge sehn, dass es der ganzen Kraft und Gewandtheit eines erfahrenen Staatsmannes bedürfe, um mit Frankreich den Wett- kampf in der Schweiz aufzunehmen und zwar um so mehr, da im Januar 1689 in Michel Amelot, Marquis de Gournay, einer der tüchtigsten Diplomaten seiner Zeit als französischer Gesandter in Solothurn eingetroffen war. Amelot war bei seiner Ankunft in der Schweiz erst vierundreissig Jahre alt. Er wird als scharfsinnig, umsichtig, rechtschaffen und schlicht geschildert. „Er besitzt eine überaus glückliche Gabe, die Herzen zu gewinnen und eine sanft eindringende, aber ungekünstelte Beredsamkeit, mit welcher er jeden, der sich ihm nähert, zu seinen Ansichten hin- reisst." 2 ) Der Blick der Generalstaaten wandte sich daher abermals auf den Mann, den man schon vier- zehn Jahre vorher in die Schweiz hatte schicken wollen, und auf den auch Fabritius als auf die geeig- netste Persönlichkeit hingewiesen hatte: auf Petrus Valkenier. Valkenier war für die Eidgenossenschaft, selbst abgesehen von seiner geheimen Korrespondenz mit Zürich, kein Fremder. Während seines Aufenthal- tes in Regensburg hatte seine Stellung ihm wiederholt Gelegenheit geboten, ihr wichtige Dienste zu leisten. Einer der wesentlichsten war wohl seine Vermittelung bei der Aufhebung einer Kornsperre gewesen, welche *) Reichsarchiv Haag, 2/12. Oktober 1690. *) Schweiz. Museum, 1. Jahrg., 2. Teil, S. 590. — 38 — Kaiser und Reich als Repressalie wegen der fran- zösischen Transgressionen verhängt hatten. Valkenier hatte den Züricher Abgeordneten, Hauptmann Hess zu den Ministern Strattmann und Königseck begleitet und auch den gerade in Regensburg anwesenden brandenburgischen Minister Dankelmann für die An- gelegenheit in Anspruch genommen. Er habe, schreibt er am 7/17. November 1689 an Rahn, den Ministern remonstrirt, „wie unter allen Cantonen Zürich vor Teutschland am besten portirt seye und das man desswegen auch grosse Ursache hätte, selbiges Canton vor allen andern zu menagiren, und mit der Zufuhr von einer gewissen quantität Korn wöchentlich von Lindau über Stein nacher Zürich an die Hand zu gehn." 1 ) Am 19/29. August 1690 teilt Valkenier Heidegger mit: endlich sei er nun zum ausserordentlichen Ge- sandten in die Schweiz ernannt. Vor vier Tagen habe er die Beglaubigung erhalten. Heidegger sei der erste, dem er es mitteile, falls derselbe vor seiner Abreise, die in längstens drei Wochen erfolge, noch etwas in Regensburg besorgt haben wolle. Gegen Niemanden werde er in Zürich vertraulicher sein als gegen ihn. Er bittet, ihm zu einem bequemen, wohlgelegenen Hause mit Stallung zu verhelfen. Herr Fabritius habe ihm von einem Hause geredet, das früher der venetianische Gesandte bewohnt. Wegen Holz, Heu und sonstigen Besorgungen habe er sich an den Haupt- *) D 179/182 fol. 142. A 170, 3. Schreiben vom 12/22. Dezember 1689 an Kahn, dass das Korngeschäft für Zürich nahe dem gewünschten Abschluss sei; am 5. Januar 1690, dass Zürich zweihundert Säcke Korn wöchentlich aus dem Reich be- willigt seien. — 39 — mann Hess gewandt. 1 ) Am 17. September hielt der Magistrat eine Beratung, wie Valkenier „mit einer ehrlichen vnd seiner qualitet anstendigen Reception angesehen werden könne." 2 ) Man beschloss: aus vier Carthaunen und vier Feldschlangen Salut zu schiessen, „fünfzig Reuter in gleicher Montierung" entgegen- zuschicken und 350 Mann Fussvolk unter die Waffen zu stellen, und zwar: 40 an den halben Mond, 60 an die Cronenporte, 40 an das Cronthor, 90 ans Rathaus, 100 vor das Haus, in dem er einkehre. Nach der feierlichen Einholung solle Valkenier traktiert werden. Hauptmann Hess solle ihm entgegenreiten und ihm ,,privato nomine von disser gefassthaltung offnung thun, auch ihme abmerkhen wie ihme selbige beliebe, darüber in erfahrung bringen, wann und zu welcher stund Herr Valkenier einreithen vnd da Er biss nach an die Statt in der gutschen fahren wolte, obe Er nit unweith von derselben ausssteigen vnd zu pferdt sitzen auch solchen fahls ein pferdt auss dem Maggstahl be- gehren möchte, vnd das eins vnd andere zu anstän- diger einrichtung auf der bestellten Fusspost förderlich berichten." 8 ) Valkenier antwortete, es sei ihm lieb, wenn man ihn „viller Ceremonien vnd Höflichkeiten halber verschonen würde." Der Rat beschloss daher, den Empfang zu unterlassen; Valkenier könne im Protokoll nachlesen, dass es ihnen am Willen nicht gemangelt habe. 4 ) *) D. 179/182 fol. 54. 2 ) S. S. II 1690. 3 ) A 217, 2. „Rathschlag wegen reception dess Herrn Valkenier vom 17. 7 bris Ao. 1690." 4 ) S. S. II fol. 54. — 40 — In einem Schreiben an die Generalstaaten (2. Oktober 1693) äussert Valkenier, er habe sich den Empfang verbeten aus Gründen, die man im Haag billigen werde. Es ist wahrscheinlich, dass er ihn darum ablehnte, weil ein geringeres Ceremonial geplant war, als bei der Einholung des englischen Gesandten. Valkenier, der in die Schweiz geschickt wurde, um hier den Kampf mit dem mächtigsten Monarchen seiner Zeit aufzunehmen, durfte nicht zugeben, dass seine Stellung von vornherein öffentlich zu einer minderwertigen ge- stempelt werde. Andererseits mochte er nicht gleich beim ersten Schritt ins Land einen Prinzipienstreit anfangen (dass die Vertreter einer Republik ebenso zu ehren seien wie die eines Monarchen), und so gebot denn die Staatsklugheit, den Empfang ganz abzulehnen. Bei späteren Gelegenheiten forderte er mit Schärfe die Ehrenbezeugungen der königlichen Gesandten. Am 22. September 1690 traf Petrus Valkenier mit zwölf Pferden in Zürich ein. 1 ) Er war begleitet von seiner Frau und seiner einzigen, damals achtzehn- jährigen Tochter Charlotte. Den „überaus trefflichen Prediger", den er Sich während der letzten Jahre in Regensburg gehalten, 2 ) scheint er nicht mitgebracht zu haben, da in Zürich kein Mangel war an protes- tantischer Erbauung. „Nach einer mühseligen zwölf- tägigen Reise bin ich hier gestern Abend spät, Gottlob, glücklich angelangt, indem ich meinen Weg zu Land bis Lindau, von da zu Wasser über den Bodensee nach Constanz und Schaffhausen hierher genommen. In J ) Werdmüller, Memorabilia Tigurina. ») A 170, 3. An Rahn, 26. März 1689. — 41 — den vernehmlichsten Städten hat man mich zu Ehren Ew. Hochmögenden durch Deputationen begrüsst." 1 ) Am 27. September überreichte er dem Rat seinCreditiv in zwei Exemplaren, das eine in französischer Sprache für die gesamte Eidgenossenschaft, das andere hol- ländisch für die evangelischen Kantone insbesondere; das letztere erwähnt die Religionsgemeinschaft beider Länder. 2 ) Noch am selben Tage machte ihm abends um fünf Uhr eine Deputation von zwölf Räten und dem Bürgermeister Johann Heinrich Escher den Gegen- besuch. Letzterer führte das Wort; er erklärte die Generalstaaten und Wilhelm von Oranien für die besten und aufrichtigsten Freunde, die die evangelische Eidgenossenschaft habe, für Freunde, auf die sie ihr Heil und Vertrauen setze. Am folgenden Tag, einem Sonntag, erschienen zwei Magistratspersonen, um den Gesandten auf seiner ersten Fahrt zur Kirche feierlich hin und zurück zu geleiten. Am Montag kamen in corpore die Professoren und Prädikanten, am Dienstag die Geistlichkeit der französischen Refügianten und die der Waldenser. 3 ) s ) An die Generalstaaten. Zürich, 2. Oktober 1690. 2 ) A 217, 2. Das Creditiv ist gezeichnet: W. von Nassau und F. Fagel, Hagh, 15. August 1690. Aus der vierzehn jährigen Gesandtschaft Valkeniers in der Schweiz liegen im Reichsarchiv Haag seine Schreiben an die Generalstaaten, an den Staatssekretair Francois Fagel und an den Rats- pensionarius Heinsius. Die Briefe, die Yalkenier erhielt, sollen sich in Privatbesitz befinden. Die interessantesten Schreiben sind die an Fagel ge- richteten Geheimbriefe (Secrete Brieven). Sie sind ein Gemisch von amtlichen Mitteilungen und freundschaftlichen Berichten. Das Datum ist stets neuer Stil. Man versicherte mir im Haager Archiv, dass diese Valkeniersche Korrespondenz bis jetzt noch zu keiner Veröffentlichung benützt worden sei. 3 ) An Fagel, 9. Oktober 1690. Eatsprot. Zürich S. S. II, 1690, 27. September. — 42 — Vom ersten Tage seiner Ankunft finden wir Val- kenier in lebhafter politischer Thätigkeit. Schon in seinen ersten Schreiben an Fagel berichtet er über eine Konferenz in Baden mit dem Savoyischen Ge- sandten Govone und dem bayerischen General Sereni, sowie über den Eindruck, den er von der gleich- zeitig stattfindenden Tagsatzung hatte, dass es in Bezug auf Einigkeit unter den Kantonen „sodanig haapert, datter geene uniformiteyt als in den hoogsten noot sal toe verwachten zijn." 1 ) Die beiden brennendsten Fragen, um die es sich zur Zeit handelte, waren : die Vergrösserung Hüningens und die Bedrohung Genfs durch Ludwigs XIV. Ein- fall in Savoyen. In Bezug auf Hüningen hatte die letzte Tagsatzung sich zu energischen Beschlüssen aufgerafft. ,,Ich arbeite hier nach Kräften", schreibt Valkenier an Fagel, ,,um nicht nur Zürich, sondern durch diesen Kanton auch die andern bei ihren letzt- gefassten Resolutionen zu halten, dass sie nicht dulden wollen noch können, dass man Hüningen auch nur um einen Fuss breit ausdehne, indem ich ihnen re- monstrire, dass dazu nur eine standhafte Beherztheit nötig sei. . . . Ich finde, dass man augenblicklich hier wohlgesinnt ist und dass man suchen wird, auch die andern Kantone bei guter Gesinnung zu halten. An Bern ist nicht zu zweiflen, Lucern hat sich auch schon günstig erklären lassen . . . Doch ist es möglich, dass Frankreich die kleinen, volkreichen Kantone an sich zieht durch die Bestechung der Vor- nehmsten und durch Befriedigung des gemeinen Mannes, indem man billiges Korn schickt. Seit ein *) An Fagel, 5. und 9. Oktober 1690. — 43 — paar Tagen haben die Franzosen damit angefangen . . . Hier denken die Häupter, dass Frankreich nicht auf die Vergrösserung von Hüningen an und für sich aus ist, sondern dass das nur eine Handhabe bieten soll, um die Kaiserlichen von der Befestigung Rheinfeldens zurückzuhalten . ' n ) Man warnte Valkenier, dass er sich sehr verhasst machen werde, wenn er von Genf reden wolle. Ob- schon das ganze Volk in Zürich und auch die meisten Regenten sehr beherzt gegen Frankreich gesinnt seien, so stünden doch gewisse Herrn in französischem In- teresse, einige seien auch ängstliche Leute. Sogar die besten Patrioten behaupteten, erst müsse Bern seine Maske lüften, ehe man einen Beschluss in Bezug auf Genf fassen könne. 2 ) Indes wurde der Statthalter Meyer nach Genf abgeschickt, und Zürich hielt vier Kompagnien zur Hilfe bereit. Valkenier liess, um Stimmung zu machen, einen Brief, den die Königin Elisabeth am 18, Juli 1590 an die Eidgenossen ge- schrieben hatte, um sie zu mahnen, Genf nicht an einen fremden Herrscher geraten zu lassen, verviel- fältigen und unter der Hand durch die Kantone laufen, ,, damit sie sich den Rath einer so weisen Königin zu Herzen nehmen." Doch sei an ein ent- schlossenes Eintreten für Genf nicht zu denken, denn die Regierungen bestünden meistens aus Kaufleuten, die bei den kleinsten politischen Verschiebungen in Angst um ihren Handel gerieten. 3 ) *) An Fagel, 2. November 1690. *) An Fagel, 12. Oktober 1690. *) An Fagel, 19. Oktober 1690. G 2, 1, 29. Eine Kopie des Schreibens der Königin Elisabeth. Der Brief Elisabeths ist abgedruckt worden in Hiltys „Politischen Jahrbüchern 11 1897. S. 778. — 44 — Trotz des guten Empfanges und gelegentlicher Aufmerksamkeiten, die man dem holländischen Ge- sandten erwies, 1 ) scheint man sich doch etwas un- behaglich bei dessen Rührigkeit gefühlt zu haben. „Einige Kegenten zeigen sich hier sehr ungeduldig, zu erfahren, zu welchem Zweck ich in dieses Land gekommen bin. Etliche meinen, es sei, um sie, wenn möglich, mit in den Krieg zu verwickeln. Ein ge- wisser Bürgermeister, der für etwas misstrauisch gilt, hat mir daher sagen lassen, dass sich in einigen Tagen viele Regenten in die Weinlese begeben, damit ich mich darnach einrichten könne, falls ich etwas zu erklären hätte. Ich habe mich für die Nachricht bei ihm bedanken lassen und hinzugefügt, mein Auf- trag sei noch nicht so eilig." 2 ) Die bevorstehende Tagsatzung in Baden bot Val- kenier Gelegenheit, zum ersten Mal in der Schweiz offen gegen Frankreich in die Schranken zu treten. Der englische Gesandte Coxe schrieb ihm am 22. Ok- tober (a. St.): Das einzige Mittel, um die Macht des französischen Einflusses zu brechen, sei, wenn sie beide die Verpflichtung übernähmen, sämtliche Offi- ziere und Soldaten, die man aus Frankreich zurück- berufe, sofort für englische und holländische Dienste anzuwerben. ,,Das ist von so grosser Bedeutung, dass wir nicht einen Augenklick schwanken dürfen .... Gehn Sie also hin, ich beschwöre Sie, und sorgen Sie für unsre Interessen. Der Graf Govone kommt auch J ) U. S. n, 1690, 20. Dez. wird beschlossen, da Landvogt Schwertzen- bach sechs wilde Schweine geschickt, so solle der holländische Envoye Valkenier mit einem ganzen Stück regaliert werden. *) An Fagel, 12. Oktober 1690. — 45 — hin und wird Ihnen sekundieren, denn von den kaiser- lichen Gesandten haben wir wenig zu erwarten." Drei Tage später, am 25. Oktober, drängt Coxe aufs neue: „Die einsichtigsten Personen in Bern stimmen darin überein, dass die bevorstehende Tagsatzung die wich- tigste sei, die seit mehr als hundert Jahren gehalten wurde, und dass Frankreich da& äusserste thun wird, um für seine Interessen günstige Beschlüsse zu er- reichen." Valkenier möge auf jeden Fall hingehn und öffentlich von der gesamten Eidgenossenschaft ein Regiment für Holland verlangen. Man werde es ihm nicht bewilligen, aber das erwiesene Vertrauen hoch anrechnen. 1 ) Diese ausserordentliche allgemeine Tag- satzung (November 1690) war veranlasst worden durch ein Schreiben Amelots: dass Frankreich sich die Erweiterung von Hüningen als sein Recht vor- behalte, und dass dieselbe um so notwendiger sei, als die Kaiserlichen auf diesen Platz Absichten hätten. 2 ) Die Kantone befanden sich daher in einer gewissen Erregung und Valkenier hätte keinen besseren Zeit- punkt für sein erstes öffentliches Auftreten finden können. Am 10. November (n. St.) hielt er „bei offener Thür" vor einer grossen Zuhörerschaft, wo- runter sich auch der Dolmetscher des französischen Gesandten befand, seine Rede. „Diese Proposition spitzte jedem sehr die Ohren und wie ich höre, haben die in der Versammlung sitzenden französischen Krea- turen selbst bekennen müssen, dass ich nur die volle Wahrheit vorgebracht habe." 8 ) Gegenstand seiner Rede *) Beide Originale einliegend im Schreiben an Fagel. 8. November (a. St.) 1690. *) Abschiede VI. 2, S. 369. ff. s ) An Fagel. 2/12. November 1690. — 46 — war eine kurze Schilderung der französischen Politik, Er stellte Ludwig XIV. gleichsam „auf der Schandbühne vor," 1 ) wie derselbe „Krafft einer Personalen Am- bition hat um sich gebissen, denen Benachbarten ihr erbschafftliches, unrechtmessiger Massen mit List und Gewalt abgezwackt" und wie er dann dieses Verfah- ren mit einem Politischen Teckmantel wil beglimpfen vnd mit denen neuerfundenen, vorhero aber bey rechtschaffenen Nationen vnbekandten Baisons de guerre, so doch nur eine Gewaltthätigkeit ohne raison ist, justificieren; zu dem Ende man dann auch stets die beste Sincerationes auff der Zungen führet, im Hertzen aber lauter List und Betrug traget." Die Eidgenossen möchten den französischen Schmeicheleien und Scheinreden kein Vertrauen schenken, denn Frankreich habe öffentlich als seine Staatsmaxime er- klärt: „dass man seiner Parole kein Sklav sein muss vnd dass man allzu gross seye, dann dass man sich mit einem Stückel Papeyrs sollte binden lassen." Zum Schluss entbietet Valkenier der Eidgenossen- schaft den Gruss der Generalstaaten und erklärt für den Zweck seiner Sendung, dass er „in hiesigen Landen einige Zeit das gemeine Interesse nach seinem kleinen Talent solle beobachten." 2 ) An Fagel schreibt Valkenier: Amelot habe sich über diese Bede „seer ge- belgt" (erbost), wolle aber nicht antworten, um sich nicht Weitläufigkeiten „op den hals te haalen." Die Gemüter seien merklich aufgeweckt worden, die Bede werde jetzt in Zürich gedruckt und in die katholischen Kantone versandt, denn es sei zu befürchten, dass x ) Ochs „Geschichte von Basel". VE, S. 188. 2 ) Druckschrift in der Stadtbibl. Zürich. — 47 — die Regenten sie dort nicht zur Kenntnis des gemeinen Mannes kommen lassen. 1 ) Obgleich man in Zürich durch den fünfjährigen Briefwechsel mit Valkenier an dessen energische Sprache gewöhnt war, so scheint doch diese Rede Be- unruhigung verursacht zu haben. Das Ratsprotokoll vom 3. November (a. St.) bemerkt dazu: bei dieser Proposition „lasst man es für einmahlen verbleiben." 2 ) Am 5. November erhält Säckelmeister Waser den Auftrag, Buchdrucker Gessners selige Wittib ins Ver- hör zu nehmen, wer ihr Valkeniers Rede zum Druck übergeben habe. 8 ) Die Tagsatzung selbst erwiderte nur kurz : sie danke den Generalstaaten für ihre Freundschaft und stelle den Verlauf dieses Krieges Gott anheim, indem sie über das Recht oder Unrecht desselben nicht zum Richter gesetzt sei. 4 ) Amelot antwortete erst am Tage vor dem Auseinandergehn der Versammlung kurz und bitter: Die hitzigen Dekla- mationen des holländischen Gesandten, oder vielmehr die von ihm abgelesene Schmähschrift, sei nicht nur eines öffentlichen Ministers, sondern selbst jedes wohl- erzogenen Menschen unwürdig. Das sei um so hassens- würdiger, als es von einer Republik herrühre, die die Achtung, welche sie grossen Königen schulde, wahren müsse, und namentlich solchen Königen gegenüber, welchen sie die Errichtung ihrer eigenen Souveränität *) An Fagel, 2/12. November 1690. Valkenier vergisst nicht, in seinem Bericht mitzuteilen, dass er in einem mit blauem Sammet überzogenen Arm- sessel sitzend, der Tagsatzung beigewohnt, dass also der niederländischen Eepublik gebührende Ehre erwiesen worden sei. *) S. S. H. 1690. 8 ) TL S. H. 1690. 4 ) Abschiede VI., 2. S. 371. — 48 — verdanke. Übrigens sei es seltsam, dass Leute, die die Kriegsfackel angezündet, indem sie einen recht- mässigen König vom Thron gestossen, nun die Dreistigkeit haben, von ungerechten Unternehmungen und umgestürzten Thronen zu reden. Wenn man endlich die Kriegsführung beider Parteien vergleiche, so brauche man nur die Klagen des Landvolkes in Schwaben, Flandern und Piemont zu hören, die kein Hehl draus machen, dass sie von ihren Freunden, den Deutschen, unvergleichlich mehr leiden, als von den Franzosen, ihren Feinden. Amelots Entgegnung war für Valkenier nur ein willkommexier Anlass zu neuen Angriffen. Auf den kleinen Hieb, dass er nicht in freier Rede zu der Tagsatzung gesprochen, sondern gelesen, bemerkt er: Das habe er gethan, damit es ihm nicht mit seiner langen Rede ergehe, wie dem Herrn Amelot neulich in einer kurzen, worin dieser mitten drin stecken geblieben sei und sein Manuskript nachträglich habe hervorholen müssen. Er wundere sich, dass dieser Mann, der den Ruf habe, von allen Gesandten des Königs der gescheid- teste zu sein, diese Reputation nicht besser menagiert, sondern ihm in einer so unwahren Weise widersprochen habe. Da werde den Holländern zugemutet, solchen Respekt vor dem französischen König zu haben, dass sie von dem Unrecht, das er ihnen gethan, nicht ein- mal reden sollten. Die Hilfe, die Frankreich Holland geleistet, um sich von der spanischen Herrschaft los- zureissen, werde nicht geleugnet, allein sie sei längst bezahlt durch den Beistand, den Holland Heinrich IV. gewährt. Aus dieser Zumutung, vor Ludwig XIV. Respekt zu haben, könne man sehn, wie gering — 49 — Frankreich die Republiken achte. Diese Gering- schätzung habe es kürzlich auch der Schweiz bewiesen durch das unwürdige Traktament ihrer Gesandten. 1 ) Amelot werfe ihm ferner vor: ein Staat, der durch Entthronung eines rechtmässigen Königs die Kriegs- fackel angezündet, habe kein Recht, Frankreich den gegenwärtigen Krieg zum Vorwurf zu machen. Es sei jedoch der ganzen Welt noch in frischem Gedächtnis, dass die Franzosen im September 1688, während der Kaiser in Ungarn gegen die Türken beschäftigt gewesen, in das Reich eingebrochen seien, und dass Wilhelm von Oranien erst zwei Monate später, am 11. No- vember, mit einer Kriegsmacht nach England gegangen sei. „Wie kan dann der Frantzösische Hr. Ambassa- dor also frech sagen, dass man unserer Seiten den Krieg erst habe angezündet ?" Des Prinzen Ein- schreiten in England sei eine Notwendigkeit gewesen wegen des heimlichen Bundes zur Unterdrückung der englischen und holländischen Freiheit. Die Nation habe den Prinzen, nachdem König Jakob den Thron und das Reich verlassen, aus freiem Willen zum König gewählt ,, Heisset dieses nun, dass man Holländischer Seiten den König Jakobum vom Thron gestürtzet und seinen *) Vulliemin a. a. 0., S. 241 ff. Heinrich Escher von Zürich und Dachseihof er von Bern waren 1687 als Gesandte im Interesse Genfs nach Paris geschickt worden. Sie verlangten dort, nach dem Ceremonieil ihrer Väter in einem sechsspännigen königlichen Wagen abgeholt, durch einen Herzog oder Marschall an der Treppe empfangen zu werden, sowie bedeckten Hauptes mit dem König zu reden. Sie mussten abreisen, ohne überhaupt zur Audienz vorgelassen zu werden, während man ihnen zur Auffahrt bei Colbert nur zwei Pferde gegeben hatte. Die goldenen Gnadenketten mit dem Bild Ludwigs XIV., die ihnen bei der Abreise überreicht wurden, wiesen sie zurück: da ihnen nicht vergönnt worden sei, den König selbst zu sehn, so zieme es sich nicht, sein Bild anzunehmen. 4 — 50 — Tochtermann darauf gesetzet habe?" Zuletzt komme Amelot noch mit den Klagen des Landvolks. Das gemahne ihn an die Rhapsodien der Advokaten in einem faulen Prozess, wenn es an guten Gründen mangle. Dass die Franzosen zuweilen etwas bessere Disziplin halten als die Deutschen, das gehöre hier nicht zur Sache. Ausserdem brauche man nur an das Plündern und Verbrennen so unzähliger Städte, Schlösser und Dörfer zu erinnern, um zu beweisen, dass die genannten Länder ungleich mehr von den Franzosen zu leiden haben, als von der mangelhaften Disziplin der Deutschen. Diesmal menagierte Amelot seine Reputation und schwieg. Valkenier hatte diese Entgegnung nicht mehr auf der Tagsatzung halten können, sondern sie wurde erst am 20. November (a. St.) mit Amelots Rede zusammen in Zürich gedruckt. 1 ) Im Dezember 1690 forderte der Ratsherr Bern- hard von Muralt in Bern Valkenier dringend auf, zu kommen, um dieser Stadt „ihr wahres Interesse klar zu machen und die Gemüther auf richtige Gedanken zu bringen" in Bezug auf die Gefahr, welche der Schweiz von Frankreich her drohe, wenn Genf unter dessen Herrschaft gerate. Muralt hatte bereits auf einer Konferenz in Zürich (2. — 4. Dez. 1690) erreicht, dass für Genf 3000 Reichsthaler bewilligt worden waren. 2 ) Eine Sprache, wie Valkenier sie führte, hätte sich jedoch ein Eidgenosse damals nicht er- lauben können, daher die Aufforderung an den x ) Im Anzeiger für Schweizerische Geschichte Band V. Seite 165 ff. ist dieses Memorial aufs neue veröffentlicht worden durch Th. von Liebenau. 9 ) Abschiede, VI, 2. S. 375. — 51 — holländischen Gesandten, vor dem grossen Rat in Bern wegen dieser Angelegenheit öffentlich aufzu- treten. 1 ) Am 29. Dezember hielt Valkenier die von Muralt gewünschte Rede: Ein altes Sprüchwort sage, Gallum amicum, sed non vicinum habeas. Wer sich seinen gefährlichen Nachbar zu nahe rücken lasse, der mache sich zu dessen Sklaven und müsse ihm nach den Augen sehn wie ein Überwundener. Man mache sich mit Mittelwegen keine Freunde, noch befreie man sich dadurch von Feinden. „Ja, sagt einer, es ist noch keine Gefahr da. Wann aber will dieser die Gefahr anfangen zu rechnen, wann keine Rettung mehr da ist? Steht nicht Hannibal vor dem Thor?" Die Eidgenossenschaft müsse einiger unter sich werden, sie solle sich ein Beispiel nehmen an den auf der Weide mit einander kämpfenden Ochsen; sobald der Wolf komme, Messen sie ab vom Streit und wendeten sich einträchtig gegen den gemeinsamen Feind. Hätten die griechischen Republiken bei Zeiten auf Einigkeit gedacht, dann wären sie nicht zur Beute Philipps von Macedonien geworden. 2 ) *) Zwei Briefe Muralts an Valkenier vom 13. und 15. Dez. 1690 und einer von Coxe, 14. Dez., mit Aufforderungen, zu diesem Zweck nach Bern zu kommen, einliegend im Schreiben an Fagel vom 20/30. Dez. 1690. *) Vulliemin a. a. 0. HE. Anmerk. 115 berichtet ohne Quellenangabe: Valkenier habe geplant, Uneinigkeit und Bürgerkrieg in der Schweiz an- zufachen, um auf diese Weise die Heimberufung der Truppen zu erreichen. Bürgermeister Escher habe das entrüstet abgewiesen mit den Worten: „Besser Zwieback mit unseren Eidgenossen, als Rebhühner mit Euch". Diese Anekdote widerspricht dem thatsächlichen Sachverhalt. Holland hatte durch jeden seiner Vertreter stets zur Einigkeit gemahnt und die Subsidien zu einem Bürgerkrieg verweigert. Zürich und Bern dagegen schmiedeten noch bis in die achtziger Jahre hinein Pläne zu einer Revenge für die Nieder- lage bei Vilmergen. 1689 berichtet Amelot an Ludwig XIV: vor ein paar 4* — 52 — Er habe sich, schreibt er am 16. Januar 1691, zu dieser Rede auf Muralts und Ooxes dringende Bitten entschliessen müssen, denn er sehe je länger desto mehr, dass aus der Uneinigkeit der Kan- tone, nicht nur untereinander, sondern auch jedes einzelnen in sich selbst, Lethargie, Kleinmütigkeit und grosse Unwissenheit in Bezug auf die eigenen Inte- ressen entstanden sei. Namentlich sei das in dem mächtigsten Kanton, in Bern, der Fall. Hier unter- stützten einige Regenten das Interesse Frankreichs zum Nachteil des eigenen Landes. Nach seiner Rede seien etliche Bürger und Regenten privatim zu ihm gekommen, ui$ ihn zu begrüssen und Gott zu danken, dass endlich einmal jemand bei ihnen aufgetreten sei, der mit Freimut und Nachdruck über die grosse Gefahr, die der Schweiz durch eine Eroberung Genfs drohe, öffentlich habe reden dürfen. 1 ) Die Tagsatzung im März — April 1691 benutzte Valkenier, um auf Abstellung der Transgressionen zu dringen. Man möge doch eine aufrichtige Neutralität halten, das sei es, um was er bitte. Viele meinten, der Zweck seines Aufenthalts in der Schweiz sei, sie auch in den Krieg hineinzuziehen. Er wolle gern bekennen, dass es sämtlichen Alliirten angenehm sei, wenn sie sich offen auf Seiten der gerechten Sache stellen und der Allianz anschliessen wollten. „Dass ich aber dahin biss dato solte gearbeitet haben Jahren sei in Bern ein Sekretär König hingerichtet worden, weil er sich den Kriegsplan heimlich abgeschrieben, den Bern und Zürich damals ausgearbeitet, um bei passender Gelegenheit ohne Verzug gegen die katholischen Kantone losziehen zu können. Bundesarchiv, in der Mappe: Tambonneau. *) Im Mai 1691 schickte Valkenier seinen Sekretair Monet nach Genf, um sich an Ort und Stelle zu instruieren. An Fagel 7. Juni 1691. r — 58 — und noch arbeite, ist eine ganz unbegründete Auf- bürdung.' 1 Er hält den Kantonen vor, dass sie durch ihren Bund nur verpflichtet seien, 16000 Mann an Frankreich zu geben, in Wirklichkeit aber stünden doppelt so viele in dessen Dienst. 1 ) Der französische Gesandte bestritt in einem am 9. März eingereichten Memorial die bundeswidrige Verwendung der Schweizer- truppen. 2 ) Ausserdem scheint Amelot gleichzeitig Schritte zur Beseitigung des unbequemen Holländers geplant zu haben. Er habe, schreibt Valkenier an Heidegger, „in höchster Confidenz vernommen, dass der Amelot mit einer scharffen Schrift behaupten wil, dass weilen wir mit der Eidgenoschaft nicht in Trac- taten stehen, ich auch nicht befugt seye, die Tag- satzungen zu besuchen." Es schwebe ihm vor, als seien dem Herrn Malapert selig schon dieselben Ränke von dem damaligen Gesandten St. Romain gemacht worden. Valkenier bittet, Heidegger möge ihm Vic- queforts Traktat über die Ambassadeurs schicken, damit er sich ein wenig instruiere, „Auch bitte umb einen kurtzen und kräftigen sprach dessen, dass der glückliche aussschlag einer sache kein kenzeichen der gerechten sache sey. Ich habe hier gantz keine bücher noch Schriften, sonsten würde mit dergleichen nicht verdriesslich fallen." 8 ) Heidegger scheint das Ge- wünschte geschickt zu haben, denn am 6. April reicht Valkenier zur Widerlegung Amelots ein zweites *) VuUiemin sagt ebenfalls, EI, S. 276: seit 1690 hätten 32000 Schweizer m französischen Diensten gestanden. Diese Zahl mag sich daraus erklären, dass es Sitte war, die Regimenter weit über die bei der Kapitulation fest- gesetzte Zahl zu vermehren. ') Abschiede 1, VI, 2. S. 397. 8 ) D 179/182, fol. 56. Baden, 3/13. März 1691. — 54 — Memorial ein. Die Tagsatzung erwiderte: man hege für die Generalstaaten alle Freundschaft und verbleibe bei den Erklärungen, die man den beiden krieg- führenden Mächten gegeben habe. Einige schweize- rische Abgeordnete sprachen sich dahin aus: Holland beschwere sich über etwas, was es nichts angehe, weil man mit ihm in keinem Bündnis stehe. 1 ) An der folgenden Tagsatzung (Juli 1691) beteiligte Valkenier sich in Folge eines Auftrages des Kaisers, der den holländischen Gesandten mit Überreichung der Ratifikation des mit der Schweiz abgeschlossenen Neutralitätsvertrages betraute. 2 ) Da die kaiserliche x ) Abschiede VI, 2, S. 398. s ) Eine Kopie des kaiserlichen Schreibens befindet sich in dem Brief an Fagel vom 18. Juni 1691 : „Leopold von Gottes Gnaden Erwehlter Kömischer Kayser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs. Ehrsamer Lieber. Uns ist zu unserm allergnädigsten wolgefallen gehorsamst hinterbracht worden, mit was Vigilanz und Eyffer Du dem Bono Publico und Unseren, auch der gesamten Allijrten Interesse in der Eydgenoschaft, absonderlich bey jüngst fürgewährten Tagleistungen, abgewarttet habest, und Wir nit zweiffein, Du Dir dergleichen noch weiter angelegen seyn lassen werdest. Dahero und indeme nit allenzeit jemande von Uns bey Ihro Eydtgenoschaft in loco sich befindet, auch zu der auf St. Johann nechst instehender Jährlichen Ordinari Tagsatzung zu Baaden wegen Kürze Ider Zeit dermal schwerlich einiges Subjektum von Uns mit genügsamer Instruction abgeschicket werden Kan. Du aber als anwesend sonders Zweifel daselbst zu Baaden Namens Deiner Principalen ohne dem erscheinen werdest, so haben Wir gleich wohlan zu gewinnung der Zeit das allergnädigste Vertrauen zu Dir setzen und Dir einligendes Originalschreiben . . ." (die Ratifikation des Neutralitätsvertrags zur Überreichung an die Tagsatzung anvertrauen wollen. Valkenier möge auch dafür sorgen) „dass von der Cron Frankreich und Dero in der Eyd- genoschaft anwesendem Ministro oder dessen Anhang nichts widrig- oder schädliches zugegen dem Ciaren Inhalt der Bündtnüssen eingesträut, noch weniger resolvirt, Vielmehr aber ... die Dir selbst bekante Transgressiones der in französischen Diensten stehenden Eydgnossischen Völkern wirklich und ohne Verweylung eingestellet werden". 2. Juni 1691. Leopold. An den Herrn Envoye Valkenier". — 55 — Ratifikation seitens der französischen Gesandtschaft zu kurz und nicht kräftig genug befunden wurde, so erhielt Valkenier von der Tagsatzung Auftrag, um eine besser formulierte nachzusuchen, wozu er sich bereit erklärte. 1 ) Auf dieser Tagsatzung machte er am 8. Juli abermals dringende Vorstellungen wegen der Trans- gressionen und überreichte gemeinsam mit dem savoyischen Gesandten ein Verzeichnis der Schweizer, die damals unter dem Oberbefehl des Herzogs von Luxemburg in Flandern standen. 2 ) Wie bei der Ver- sammlung im März, wollte auch jetzt Zug nicht ein- willigen, dass Valkenier überhaupt eine Antwort erhalte, während die andern katholischen Kantone erklären wollten : da sie mit Holland kein Bündnis hätten, so sei es auch nicht berechtigt, von Transgressionen zu reden, höchstens von Neutralität. In einem Memorial vom 12. Juli drang daher Valkenier darauf, ihm wenigstens eine bestimmte schriftliche Erklärung zu geben: ob die Schweiz den Generalstaaten eine exakte Neutralität halten wolle oder nicht. 8 ) „Das kam den französisch Gesinnten noch so unschmacklich vor, dass sie die Unverschämtheit hatten, zu sagen, sie seien nicht bange, von Holland ins Bein gebissen zu werden („dat sij niet vreesden in't been gebeeten te werden"), und dass sie mit Ihren Hochmögenden keine Gemein- *) Abschiede VI, 2, Seite 408. 2 ) „Extratto di fdi autentiche dalle Consta il numero e luochi nelli quali si sono ritrovati li Suizzeri nel principio di qsto anno cor*§ 1691 in Fiandra". Die spanische Eegierong zu Brüssel hatte dieses Schriftstück den Generalstaaten geschickt, die es durch Valkenier der Tagsatzung vor- legen Hessen. In dem Schreiben an Fagel vom 25. Juni 1691 sendet er es zurück. 8 ) Eine Kopie dieses Memorials liegt in dem Schreiben an Fagel vom 16. Juli 1691. — 56 — schaft hätten, auch nicht gehalten seien, sich zu deren Gunsten zu erklären. Die anderen Kantone sprachen sich dagegen aus, wie man mir, nachdem man mich als Ihrer Hochmögenden beglaubigten Minister an- erkannt und mir bereits mehr als einmal öffentlich Gehör und Antwort gegeben, nun auch nicht die Ant- wort verweigern könne, namentlich nicht in Bezug auf die Neutralität, die man doch vor der ganzen Welt erklärt habe. Selbst wenn ein Tartarischer Minister darnach fragen käme, sei man ihm Antwort schuldig, und dergleichen mehr, wodurch man endlich zu der hier beiliegenden Antwort kam . „ . . Am selben Tage sind einige der französischen Kreaturen bei dem französischen Gesandten zu Tisch gewesen und haben deswegen von ihm einen Verweis anhören müssen. Während dieser Tagsatzung haben die genannten Kreaturen wieder viel französisches Geld genossen . . . Doch ist bemerkenswert, dass Solothurn, so gut fran- zösisch es auch ist, doch einen Katsherrn, Besowald (Besenval), seines Amts entsetzt und gestraft hat, weil er eigenmächtig eine Kompagnie für französische Dienste aufgerichtet hat". 1 ) Die Antwort, welche die eid- genössische Kanzlei auf Valkeniers Memorial vom 12. Juli im Auftrage der evangelischen Orte, sowie Luzerns und Nidwaldens ausfertigte, lautet nur all- gemein: „Die Transgressionen der Eydgen. Völkern belangend, laset man es bey deme, wessen man sich hiebevor gegen Ihro Kayserl. Majestät auch gegen Ihro Königl. Majestät in Frankreich und Hispanien erklährt, lediglich bewenden, in der Meinung, dass ') An Fagel, 16. Juli 1691. — 57 — man gegen Männiglich eine aufrichtige Neutralität observiren wolle. Baden, 16. Juli 1691. Eidgenössische Kanzlei". 1 ) IM, Schwyz, Obwalden, Zug, kath. Glarus, Freiburg, Solothurn und kath. Appenzell erklärten, nicht instruiert zu sein, um in Bezug auf Neutralität neue Deklarationen zu machen. Valkenier bemerkt zu dieser Antwort, in der seine Frage, ob man die Schweizer Truppen zum Angriff auf Holland wolle gebrauchen lassen oder nicht, immer noch unerledigt blieb: „Die Eidgenossen werden niemals von den Transgressionen ablassen, was sie auch versprechen mögen, so lange sie nicht von andern mehr Geld herausziehen können, als von Frankreich. Dabei haben sie erklärt, dass sie gegen jeden eine aufrichtige Neutralität halten, also auch gegen Holland." Er bitte die Hochmögenden um Instruktion, ob er bei der nächsten Tagsatzung abermals mit dieser Frage auf- treten solle. 2 ) In einem späteren Schreiben an Fagel erzählt Valkenier, dass einer der Zuger Abgeordneten auf seine Bitte, die Werbungen für Frankreich ein- zustellen, „die gottlose Unverschämtheit" gehabt habe, ihm zu antworten: „er wolle auch für den Teufel werben, wenn der ihm nur Geld gäbe" (dan dat hy ook voor den Duyvel werven wilde, als die hem maar gelt gaf"). Man thue in den kleinen katholischen Kantonen für Geld alles ; der spanische Gesandte habe wiederholt von ihnen behauptet, ausser dem katholischen Glauben sei nichts Gutes mehr an ihnen, und es sei der besonderen Langmut Gottes zuzuschreiben, dass ') Kopie, einliegend im Schreiben an Fagel vom 19. Juli 1691. ») Valkenier an Fagel, 19. Juli 1691. — 58 — sie noch nicht wie Sodoma und Gomorrha zu gründe gegangen. 1 ) Einige Genugthuung gewährte es Valkenier, zu sehn, wie in Zürich die Geistlichkeit und das Volk immer entschiedener für Holland und die Alliirten Partei ergriff. Der französische Gesandte habe vor acht Tagen mit seiner Familie eine Wallfahrt nach Ein- siedeln gemacht. Es sei dessen Absicht gewesen, öffentlich durch Zürich zu reisen. Man habe ihm eine Warnung zugehn lassen, dass man unschuldig dran sein wolle, wenn er sich Beschimpfungen durch das Volk aussetze. Amelot sei daher an Zürich vorbei- gereist und habe in einem Gasthaus ausserhalb der Stadt zu Mittag gespeist. Einige Züricher Bürger aber hätten sich in demselben Gasthause zusammen- gethan und auf die Gesundheit des Kaisers, Wilhelms von Oranien, der Generalstaaten und deren Vertreter in der Schweiz getrunken und zur Freudenbezeugung *) Valkenier an Fagel, Oktober 1691. Ähnliche Urteile fällte man auch auf französischer Seite über die kleinen Eantone. Feter Stuppa sagt in einem seiner Memoriale, es gebe dort „ni foi ni loi"; die Stimme der Abgeordneten von Uri auf den Tagsatzungen sei leicht käuflich und man könne überhaupt in jenen Kantonen für wenig Geld erreichen, was man wolle. Balthasar, „Helvetia. Denkwürdigkeiten", 2. Die Äusserung jenes Zuger Abgeordneten findet sich erwähnt in „Advice from Switzerland u 1705: „ . . . that they would be ready to fight ... for the devil himself, if but he should come in with them with a good Store of money." Riccarda Huch, „Neutralität der Eidgenossenschaft." Wenn sie dieses Zitat anführt als einen Beweis, wie wenig die Seemächte über die schweizerischen Verhältnisse unterrichtet gewesen seien, so ist das irrig. Es beweist im Gegenteil, dass man eine sehr genaue Kenntnis hatte. In einem Memorial der Züricher Geistlichkeit vom Jahr 1689 heisst es schon: Die Eidgenossenschaft sei „bei allen Nationen verschreyt als ein Viehisches geltfrässiges Volk, das Gelt nemmen und dem leidigen Satan dienen würde. u E E, 106. — 59 — ihre Gläser auf die Strasse geworfen. Amelot habe sich sehr darüber geärgert. Mit seinem Verdruss sei es nicht besser geworden, als er auf der Rückfahrt von Einsiedeln gehört, dass inzwischen ein spanischer Papst gewählt, Louvois gestorben und der Kurfürst von Sachsen glücklich den Rhein passiert habe. 1 ) Erst im folgenden Jahr, auf der Juli-Tagsatzung 1692, fand Valkenier abermals Gelegenheit, auf die Transgressionen zurückzukommen. In seinem am 10. Juli übergebenen Memorial rügte er die Be- handlung, welche er im Jahre vorher erfahren: wie man seine Berechtigung, über Transgressionen zu klagen, bestritten, ihm dann durch die Züricher Ab- geordneten die allgemeine Antwort mündlich gegeben, man wolle sich gegen jedermann einer aufrichtigen Neutralität befleissen; wie dann ferner, als er diese Antwort auf sein Drängen von der Kanzlei schriftlich erhalten, die meisten katholischen Orte sich davon gedrückt hätten. Valkenier hielt der Tagsatzung nun vor, dass die Alliirten thatsächlich ausser den Fran- zosen keine schlimmeren* Feinde hätten, als die Schweizer, nicht nur durch die grosse Masse ihres in der französischen Armee dienenden Volks, sondern, indem sie auch die verbotenen französischen Waren ins Reich und nach Holland als angebliches Schweizer Fabrikat einschmuggelten; 2 ) indem sie ferner in fran- zösischem Auftrag in Deutschland Pferde aufkauften. Dieses Memorial wurde von der Tagsatzung so „be- denklich und empfindlich" befunden, dass man zuerst *) An Fagel, 26. Juli 1691. Der spanische, d. h. spanisch gesinnte, Papst ist Pignatelli als Innocenz XII. *) A 217, 2, Schreiben von Bürgermeister und Rat von Amsterdam, 3. November 1690. — 60 — Anstand nahm, es zu beantworten. l ) Einige Kantone, schreibt Valkenier an Fagel, seien mit dem fran- zösischen Gesandten zu Rat gegangen, man solle ihm dieses Memorial zurückgeben, er müsse ein anderes einreichen, wenn er eine Antwort haben wolle. Bern, der Abt von St. Gallen (der unter allen Kantonen die Neutralität am besten wahre), 8 ) hätten mit Zürich, Luzern und Schaffhausen seine Partei genommen und erklärt, man müsse ihm, als öffentlichem Minister, ant- worten. Es sei sonst zu befürchten, dass er einen Traktat schreiben und diese Behandlung der ganzen Welt mitteilen werde. Am wenigsten könnten sie die Stelle vertragen, dass die Alliirten nach den Franzosen keine schlimmeren Feinde hätten, als die Schweizer, das hätte er nicht sagen sollen. Er habe darauf geantwortet: im Anfang hätte er freundliche Reden geführt, da die nicht geholfen, so habe er einmal resolut gesprochen, um zu sehen, ob das mehr Eindruck mache. 3 ) Die Eidgenössische Kanzlei antwortete auf das Memorial ganz in der früheren nichtssagenden Weise. Die Mehrzahl der katholischen Orte entzog sich auch jetzt wieder der Teilnahme an der Antwort unter dem Vorgeben, das Memorial zu- erst ihren Oberen hinterbringen zu müssen. 4 ) Von der Dezember-Tagsatzung 1692 hielt Val- *) Abschiede VI, 2, S. 444, u. 445. *) Die Neutralitat von St. Gallen ist auf den Einfluss des Ministers Fidel von Thurn zurückzufuhren, der, früher ein eifriger Parteigänger Frank- reichs, sich mit Ludwig XIV. überworfen hatte. Ausserdem war der Abt Coelestin Sfondra ein Gegner des Königs wegen des Gallikanismus. Vulliemin a. a. 0. m. S. 415. *) An Fagel, 26. Juli 1692. 4 ) Abschiede, YI 2, S. 445. — 61 — kenter sich zurück, indem er den Kampf gegen die Transgressionen dem anwesenden kaiserlichen Ge- sandten, Baron Neveu, überliess. Amelot habe die erneu- ten Verhandlungen wegen der Transgressionen zu ver- eiteln gesucht mit Drohungen und Versprechungen aller Art. Die beiden Schaff hauser Abgeordneten habe er ausgescholten und bedroht, als ob sie Vagabunden seien. „Diese zwei guten Leute, von denen der eine ein wenig zu alt, der andere ein wenig zu unerfahren ist, haben bestürzt diese Brocken heruntergeschluckt in Geduld, ohne auch nur, wegen der Beleidigung ihres Charakters ein Widerwörtchen laut werden zu lassen und ohne den Gesandten vor den andern Kantonen zu verklagen." 1 ) Die bestgesinnten Kantone gäben sich jetzt aufrichtig Mühe, die Transgressionen abzu- schaffen, 2 ) dagegen sei von den französischgesinn- ten Kantonen noch auf keine Änderung zu hoffen. Da werde der gemeine Mann durch die Regenten mit der Vorspiegelung getäuscht, dass Frankreich der beste Schutz für die katholische Religion sei und sein Kriegsdienst die einzige Versorgung des hungernden Volkes, 8 ) Dass die Stellung eines holländischen Gesandten in der Schweiz keine Sinekure war, das ergiebt sich aus der grossen Mannigfaltigkeit der Geschäfte, für welche Valkenier in Anspruch genommen wurde: a ) An Fagel, 13. Dezember 1692. Der französische Gesandte spricht schon in seinem Memoriale vom 3. September 1691 aus: mit Schaffhausen brauche man keine Umstände zu machen, denn es sei keinerlei Nutzen für Frankreich aus diesem Kanton herauszuziehn. Paris, Archive des Affaires Etrangeres. S risse, 95 fol. 130. *) An Fagel, 27. Dezember 1692. 8 ) An Fagel, 10. Januar 1693. — 62 — durch Briefe, durch Freunde, durch expresse Boten begehre man seinen Beistand und oft in Dingen, über die er nicht das Mindeste zu sagen habe. So jage er z. B. seit drei Monaten auf Befehl des Bürgermeisters von Amsterdam hinter zwei Fässchen Caneel her, die einem holländischen Kaufmann an der Schweizer Grenze seien abgefangen worden. Er könne nicht einmal Antwort erreichen, aus dem Grunde, weil man sich in einer der Wald- städte still in das eine Fässchen geteilt und weil die Behörde das nicht zugeben wolle. 1 ) Dass alles, was eine Stellung in Holland haben wollte, sich jetzt in derselben Weise an Valkenier wandte, wie vor zwanzig Jahren an den guten Malapert, ist selbstver- ständlich. Der berühmte Waldenserf ührer , Henri Arnaud, plagte ihn um ein Unterkommen in Holland, entweder als Offizier oder als Pfarrer, weil er bei der bewaffneten Kückführung seiner Glaubensgenossen sein Vermögen eingebrockt habe. 2 ) Er werde über- laufen, schreibt Valkenier am 22. Februar 1691, von armen Piemonteserfamilien, und da die Hochmögenden noch nichts disponiert, so habe er aus eigenem Ver- mögen sie unterstützt , denn er habe die Armut und das Lamentieren nicht mehr länger ansehn können. Er hoffe, die Hochmögenden würden es ihm zurück- erstatten. Vierzig bis fünfzig Waldenser hätten Snap- hahnen mit Bajonetten und Reisegeld von ihm be- gehrt, damit sie zum Kampf gegen Frankreich nach Savoyen ziehn könnten. 3 ) Seine Korrespondenz *) An Fagel, 8. November 1692 u. s. w. *) An Fagel, 2. November 1690. 8 ) An Fagel, 22. Februar 1691. — 63 — aus den Jahren 1691 und 1692 ist voll von den An- gelegenheiten der Waldenser, dieser beständigen Sorgenkinder der reformierten Christenheit. Auch die französischen Refügianten mit ihren Anführern Mirmand, Reboulet u. s. w. suchten Schutz bei dem holländischen Gesandten, als die Schweiz, eifersüchtig auf die Tüchtigkeit und Rührigkeit dieser Leute, sie nicht mehr bei sich dulden wollte. Der geheime Rat habe, berichtet Yalkenier an Fagel, als er in seiner Mehrzahl aus Kaufleuten bestanden, den Beschluss gefasst, zum Frühjahr müssten alle Refügianten fort, weil sie fürchteten, in Handel und Gewerbe durch sie beeinträchtigt zu werden, denn hier herrsche Eigen- nutz und Gewinnsucht mehr vor, als in irgend einem anderen Ort der Welt. Damit man aber auswärts das Motiv der Ausweisung nicht durchschaue, so hätte Zürich nicht die Persönlichkeiten genannt, auf die der Beschluss gemünzt sei, sondern ihn allgemein gehalten. Er habe Vorstellungen gemacht, ob sie denn ihren alten Ruhm, Zufluchtsort der bedrängten Glaubensgenossen zu sein, durchaus einbüssen woll- ten. 1 ) ,, Unter der Autorität ihrer Hochmögenden habe ich hier den quade Man (Knecht Rupprecht) spielen müssen, indem ich ihnen zu bedenken gab, was die ehrbare Welt von Zürich -und den anderen reformierten Kantonen urteilen würde, wenn sie ihre unglücklichen Glaubensgenossen austreiben würden." Und noch dazu hätten sie auch Graubünden zu deren Vertreibung aufgefordert. Graubünden habe aber zu viel Ehre und Gewissen gehabt, um dieses Gesuch auch nur in Beratung zu ziehn. Er habe in dieser *) An Fagel, 29. Dezember 1691. — 64 — Sache das Konsistorium und das niedere Volk auf seiner Seite und so sei es ihm gelungen, eine Ab- änderung des Beschlusses dahin zu erwirken, dass den Refügianten nur ausgesprochen werde, man wünsche ihren Abzug, aber man werde keine Strenge gegen sie brauchen. Gestern sei der Bürgermeister mit drei Katsherrn zu ihm gekommen, um ihm das mitzuteilen. Das Konsistorium aber habe beschlossen, von allen Kanzeln darüber predigen zu lassen. 1 ) Häufig wurde Valkenier in Anspruch genommen für schweizerische Angelegenheiten im Reich, für Regelung von Zollsachen und Kornkauf. 2 ) Im Oktober 1691 wird er beauftragt, für die in kaiser- lichen Diensten befindlichen protestantischen Schweizer Dispens von dem Niederknien vor dem Venerabile zu erwirken. Er erhält jedoch die Antwort, dass die Schweizer in Frankreich stets bei solchem Anlass niederknieten, ohne dass die Magistrate der protestantischen Städte eingeschritten seien. 5 ) Wie er für die Schweiz im Reich thätig war, so auch umgekehrt für Reichsangelegenheiten in der Schweiz. Im November 1690 hatte man den Schmuggel mit französischer Seide, den die Eidgenossenschaft trieb, *) An Fagel, 8. Januar 1692. In einem folgenden Brief vom 15. Januar schickt Valkenier eine an ihn gerichtete Bittschrift der französischen Refü- gianten, worin sie darlegen, dass sie keine armen, unnützen Leute seien, sondern Gelehrte (Juristen und Theologen), Kaufleute und Handwerker. Valkenier möge ihnen helfen, in Holland oder England eine neue Heimat zu finden. Thatsächlich erhielt eine ganze Anzahl dieser Familien in Amster- dam das Bürgerrecht und gründete dort blühende Handelshäuser. *) Züricher Ratsmanual: U. S. I, 1694 fol. 31. U. S. I, 1693 fol. 16, 23, 81, 161, 185, U. S. H, 1693 fol. 14, 81 u. s. w. Züricher Missive B. IV, 170 fol. 204. 226. 8 ) An Fagel, 22. Oktober 1691. — 65 — damit abzuschneiden versucht, dass auf Verlangen Hollands in die Züricher Seide ein blauer und ein weisser Faden eingewebt und dass deren Enden durch vereidigte Beamten mit dem Stadt-Siegel plombiert wurden. 1 ) Am 8. Dezember 1691 teilt Valkenier Fagel mit, dass der Kaiser ihm eine Vollmacht geschickt habe, den Pferdeverkauf der Schweiz an Frankreich zu ver- hindern. Die französische Partei bemühte sich jetzt aus allen Kräften, den energischen Niederländer zu beseitigen, der es verstanden hatte, immer festeren Fuss zu fassen. Als die Hungersnot im Verlauf des Jahres 1692 so furchtbar wurde, dass täglich auf dem Lande Leute vor Hunger starben, da wurde unter dem Volk verbreitet, Valkenier sei die Schuld zuzuschreiben. „Vor vier Tagen wurde in einem Fenster meines Hauses ein Billet ge- funden mit Drohungen, dass ich nicht mehr sicher sein solle, wenn ich nicht mache, dass man wieder Korn be- komme. Der Rat hat eine Prämie von hundert Gulden auf die Entdeckung des Urhebers gesetzt." 2 ) Eine Woche nachher schreibt er: „Diese Nacht ist durch ein Glas- fenster dieser Brief in meine Wohnung geworfen worden, woraus die Hochmögenden schliessen können, ob ich zwischen diesem interessierten Volk und bei so schweren Konjunkturen noch länger in Sicherheit 2 ) S. S. II, 1690, 3. und 5. November. A 217, 2. Schreiben der Direktoren der Züricher Kaufmannschaft an den Magistrat vom 4. November 1690. Daselbst Schreiben Amsterdams an Zürich, 15. November 1690. In Basel mussten die Waren mit einem Baselstab plombiert und signiert werden. Eatsprotokoll 1693, 16. Dezember. 2 ) An Fagel, 8. November 1692. 5 — 66 — bleiben kann. Ich habe noch Niemand Mitteilung davon gemacht, denn, wenn es unter den gemeinen Mann käme, dann würde er dadurch eher zu Aus- schreitungen, als zu Bedachtsamkeit angeregt. Dit was't vers: Du Falck, Du Schalck, Du listger Kundt, Du wirst tractirt noch wie ein Hundt, Wan nicht wirdst machen, Dass unsre Sachen Mit Zufuhr Traidts, Pferdt, Contrabandt Wie vormahls gehn lustig von handt, Sonst wirst, wo gehst, wo stehst, wo bist In g'fahr stätz seyn, umringt mit list, Dan man Dein Eopff, Dein Halss wirdt brechen Vnd so mit freud sich an Dir rächen." 1 ) Am 22. November berichtet er an Fagel: er werde mit Droh- und Schmähschriften überschüttet und wolle daher von Zürich fortziehn. Der Magistrat suche ihn zum Bleiben zu bewegen und habe versprochen, die Urheber exemplarisch zu strafen. Vor drei Tagen sei wieder ein Blatt ans Rathaus geheftet worden, voller Drohungen und mit einem Aufruf ans Volk gegen ihn, als einen Störer der allgemeinen Ruhe. Auf den Brücken und Zünften werde über ihn geschimpft. Die französisch Gesinnten streuten überall aus, er sei an der Hungers- not schuld, weil er an dem Verbot gearbeitet, Volk und Pferde an Frankreich zu liefern und französische Waren nach Deutschland zu kontrabandieren. Die meisten Regenten und Bürger, sowie alle Prädikanten und Professoren seien unglücklich über die Beleidi- gungen, die man in seiner Person den Generalstaaten *) An Fagel, 15. November 1692. — 67 — und dem König von England angethan. Wohlgesinnte Leute rieten ihm, von Zürich wegzuziehn, die Refügifo dagegen jammerten, weil sie nach seinem Wegzug keine Stütze mehr hätten. Alles stehe gegenwärtig in der höchsten Erisis. Am selben Tage (22. November 1692) berichtet Valkenier den Generalstaaten das Vorgefallene: „Am 30. dieses Monats wird die allgemeine Tagsatzung zu Baden stattfinden; zwei oder drei Tage nachher denke ich von hier abzureisen. Vor vier Tagen habe ich es der Regierung mitgeteilt, die mir durch eine Deputation von vier Herren sehr umständlich ihr Leidwesen be- zeugen liess . . . ich warf ihnen vor, dass das öffent- liche Schimpfen über mein Verhalten zuweilen sogar in Gegenwart von Regenten geschehe, ohne dass bis heute die verlangten Massregeln dagegen getroffen seien . . . Ich sagte ihnen, ich sei der Meinung, dass der Charakter der Hochmögenden einen ganz anderen Respekt verdiene und dass ich durch vielfältige Mühe, Rat und That vielen ihrer Bürger beigestanden und sie von Schädigungen befreit, dass ich dagegen nie- manden, ausser durch die Ausführung der kaiserlichen Aufträge, benachteiligt habe; wenn es anders sei, so wolle ich es doppelt vergüten. " Zürich bot alles auf, um den erzürnten Gesandten zum Bleiben zu vermögen. Die nach Baden reisenden Abgeordneten erhielten den Auftrag, dort mit solcher Beherztheit gegen die französischen Transgressionen zu reden, wie es noch nie gehört worden sei. Val- kenier schickte seinen Sekretär auf die Tagsatzung, um diese öffentliche Genugthuung mit anzuhören. Der erhaltenen Instruktion gemäss hielt Bürgermeister — 68 — Johann Heinrich Escher in Baden eine energische Rede : Die Hungersnot sei zwar entstanden durch Miss- wachs, durch Lieferung von Getreide an die fremden, auf der Grenze stehenden Truppen, endlich durch Eornsperre seitens des Reichs, allein diese Not sei als ein gerechtes Strafgericht Gottes anzusehn für die schlechte Haltung der Traktate. Sie, in Zürich, hielten sich treu an die Bündnisse mit Frankreich, Österreich und Spanien, sie hätten daher die Sperre nicht ver- schuldet. „Dahingegen diejenigen ort, die den deut- lichen Buchstaben der Erbeinigung verlassen, den Pundt mit Frankreich offensive, auss der Neutralitet eine Partialitet machen, ohnschuldige , ehrliche Stand und Leuth ohne einige Pflicht, nur auss pur lautherer ambition alleinig umb dess schnöden, verfluchten gelts und eigennutzes willen, desolieren, Rauben, Plünderen und morden helffen, Gottes Gericht über sich ziehen, sich selbst aller weit zum gestanck und grewel machen, wider die Christliche liebe und das Gesetz der Natur handien, die gemeinnützigen Commercien hemmen und damit vielen tausend armen Seelen den Brot Korb Spehren, besorglich auch viel ansteckende seuchen ins land ziehen, den armen Hungerigen zu schwierigen gedanken treiben und mit diesem allem unser liebes Vatterland in Confusion und Verwirrung stellen werden" u. s. w. 1 ) Als dann am 29. November aber- l ) Kopie einliegend in einem Schreiben an Fagel vom 10. Januar 1693. Valkenier hat darunter eigenhändig bemerkt: „Proposition des Hans Hendrik Escher. 11 Die gedruckten Abschiede VI, 2, S. 453, nennen als Züricher Ab- gesandten irrig Johann Caspar Escher. Das Original (Staatsarchiv Luzern LXXVHl, fol. 239) bestätigt, dass es Joh. Heinrich war. Beide Escher waren damals gleichzeitig Bürgermeister. — 69 — mals eine Deputation bei Valkenier erschien und ihn bat, die Stadt bei diesen schweren Zeiten nicht zu verlassen, da gab er die Absicht, an die Grenze zu ziehn, auf und blieb. 1 ) Auch in Basel waren zur gleichen Zeit öffentliche Beschimpfungen des holländischen Gesandten vor- gekommen. Ein Mitglied des grossen Rats, Meister Hans Heinrich Gernler, war deswegen zur Verant- wortung gezogen worden. Seine Entschuldigung, er habe keine beleidigende Absicht gehabt, liess Valkenier nicht gelten: wenn das ein Emplastrum Empyricum sein solle, man habe nicht intentionem injuriandi ge- habt, so stünde einem boshaften Menschen zur In- jurierung ehrlicher Leute Thür und Fenster stets offen, er hoffe, man werde ein Urteil fällen, dass der Charakter Ihrer Hochmögenden und seine Reputation nicht darunter leide und dass die ehrbare Welt die Handhabung einer heilsamen Justiz rühmen könne. 8 ) Vielleicht war es in Anerkennung des Entschlusses, in Zürich zu bleiben, oder auch eine Bedingung, die Valkenier gestellt, dass man damals darauf bedacht war, ihm eine bessere Wohnung zu verschaffen. Bei seiner Ankunft war ihm das Haus „zum grauen Wind" in der Strasse „auf Dorf", nahe dem Grossmünster, *) Ein Memorial Amelots vom 26. September 1692 (Äff. Etr. Suisse 97, fol. 120) schildert Valkenier als höchst missliebig, ja sogar als verachtet in Zürich und behauptet, dass dem Magistrat an seinem Wegzug nichts gelegen sei: „Da er das sieht, schliesst er sich der Geistlichkeit an durch Yermittelung des Doktor Heidegger und des Kanonikus Schweizer in der Hoffnung, durch sie die Bürgerschaft zu gewinnen und den Magistrat zu zwingen, das zu thun, was die Allürten seit so lange erstreben." ') Basler Ratsprotokoll 1693 fol. 5, 330, 345, 368, 458. Basler Missive: an Valkenier, 22. März 1693. — 76 — angewiesen worden. 1 ) Anfang März 1693 erhielten die Bewohner des Neuenhofs beim Fraumünster, unter anderm auch die Witwe des Professors Hottinger, die Weisung, auszuziehn, damit das Haus zu obrigkeit- licher Verfügung stehe. Der Bauherr Holzhalb wurde beauftragt, es in- und auswendig auszubessern, mit guten Fenstern zu versehn und es ansehnlich herzu- richten. Der Ratsherr Bahn soll Valkenier die Sorg- falt, ihm eine anständige Wohnung zu verschaffen, anzeigen, ihn aber bitten, sie nicht vor der Säuberung anzusehn. Auch soll Bahn Übernommenermassen die Professoren Heidegger und Schweizer besprechen, dass sie den Gesandten zur Annahme dieser Wohnung be- wegen möchten. Am 7. Juni 1693 sollen Valkenier die Schlüssel zum Neuenhof überreicht werden. 9 ) Ob- schon die Stadt ihm freie Wohnung gewährte, so bezahlte er doch eine Miete in der Form eines Bei- trages für die städtischen Armen. *) Der Neuenhof war die ehemalige Fruchthalle, in der die Äbtissin zum Fraumünster die dem Kloster gehörigen Zehnten aufspeichern liess. 1636 war er zum theologischen Alumnat ausgebaut worden und seit der Benovation von 1693 diente er als Gesandt- schaftshotel, zunächst für Holland, später für England. Erst 1879 wurde das Gebäude niedergerissen. 4 ) Über die Art, wie der holländische Gesandte sich in Zürich eingerichtet, giebt ein Schreiben an Fagel Auskunft, in welchem er die Notwendigkeit einer Gehaltserhöhung darlegt. Die Generalstaaten hätten *) Werdmüller „Memorabilia Tigurina", Teü I, S. 170. *) U. S. I 1693, 9. März. ») TL S. 1694, 9. Juni 4 ) Salomon Vögelin „Das alte Zürich", S. 551. — 71 — ihm 3000 Gulden „tractament" und 15 Gulden Tage- gelder für seinen Auftrag in der Schweiz zugesagt. Damit könne er nicht auskommen. Wenn er nicht mehr erhalte, müsse er zurückkehren. Nachdem er dem Vater- land nun vierzehn Jahre im Auslande diene, habe er eine Verbesserung erwarten können. Die Teuerung sei un- glaublich, ein Tag in Zürich koste ihn an Brot so viel wie in Regensburg eine Woche. Ebenso sei es mit dem Trank. Bier gebe es nicht und der Wein stehe infolge von Misswachs und durch deutsche Aus- fuhrverbote hoch im Preis. 1 ) Die Arbeitslöhne seien um das zwei- und dreifache gestiegen. Er müsse zwei Tische führen, jeden von gewöhnlich sieben Personen. Die fünf Tage, die er in der Herberge gelebt, ehe er seine Wohnung habe beziehn können, hätten 103 Thaler gekostet. Auch in Baden sei es sehr teuer. Obschon er dort den Tisch der Züricher Abgesandten teile, müsse er doch für jede Mahlzeit, mittags und abends, einen Reichsthaler zahlen, für jeden seiner drei Be- dienten einen halben Reichsthaler. 2 ) Sein Umzug von Regensburg nach Zürich habe zwölf Tage gedauert. Nach Convenants Abreise habe er einen zweiten Sekretär für französische und italienische Korrespondenz annehmen müssen. Ausserhalb der Stadt könne man keine Karossen gebrauchen, daher sei er zur An- schaffung von zwei weiteren Reitpferden genötigt gewesen, die mit Sattel und Zaum 140 Reichsthaler J ) 1692 kostete in Zürich der Eimer Wein 15 fl. (4 fl. = 1 Reichs- thaler). Vogel „Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich. 11 S. 456. *) Nach einer amtlichen Kostenauf stellang vom Jahr 1677 erhielten die Landvögte, wenn ihr Amt sie nach Baden führte, für jede Mahlzeit eine halbe Krone (ungefähr ein halber Reichsthaler), die unteren Beamten einen Franken. — 72 — gekostet, während ihr Unterhalt auf mindestens 160 Thaler jährlich zu stehn komme. Der Staat gebe ihm 50 Florin für Neujahrsgeschenke, 150 für Almosen. Man habe ihm mitgeteilt, dass er in Zürich mehr als 200 Florin zu Neujahr spendieren müsse, und an Almosen habe er hier in zehn Wochen bereits mehr ausgegeben als in Regensburg im ganzen Jahr. Der Bettel sei in Zürich ungeheuer: französische Refü- gianten und Waldenser, arme Matrosen, die aus Italien und Frankreich nach Holland zurückkehren, Soldaten, die Catinat bei Fleury gefangen und zu französischen Kriegsdiensten in Piemont gezwungen, und die von dort als Deserteure wieder nach den Niederlanden zögen, alle diese Leute glaubten ein Recht auf Unter- stützung durch den holländischen Gesandten zu haben. Das Vierfache werde nicht an Almosengeld ausreichen. „Ich habe vergessen, dass ich nach dem bei den hiesigen Tagsatzungen vorgeschriebenen Ceremoniell mir einen Rock und Mantel musste machen lassen, die mit Sammet und Spitzen verbrämt sind, was mich über hundert Dukaten gekostet hat." 1 ) Ein Zeitgenosse entwirft von dem Gesandten folgendes Bild: „Er ist ein ansehnlicher, hübscher, freundlicher Herr, hat hübsche, eigene Haare. Herr Valkenier hat jetzt drei Wochen nacheinander unsre Gesellschaft (die Musikgesellschaft) mit seiner Präsenz geehrt, bezeugt eine grosse Liebe zur Gesellschaft und Musik, ist auch trefflich erfahren und bringt die meiste *) An Fagel, 14. Dezember 1690. Jeder weitere Jahrgang von Val- keniers Schreiben aus der Schweiz an den Staatssekretär Fagel fängt mit einer Bittschrift um 600 Florin für Briefporto an, statt der in Regensburg erhaltenen 200. — 73 — Zeit bei uns mit Singen zu." 1 ) Als Freunde des Val- kenierschen Hauses finden wir ausser den Theologen Heidegger und Schweizer, die Familien Escher, Meyer von Enonau und Holzhalb erwähnt. 2 ) Unter dem Schutz der Familie Heidegger gebraucht im Sommer 1691 die Tochter Valkeniers die Kur in Baden. 8 ) Neben der Politik beschäftigte Valkenier sich ein- gehend mit Naturwissenschaften. Seinen Aufenthalt in der Schweiz benützte er, um eine Sammlung von Versteinerungen aus dem Jura anzulegen, die später in Holland Bewunderung erregte. Diese Liebhaberei liess ihn in Beziehung treten zu den anderen Samm- lern im Lande, z. B. dem General Bürkli auf Trülli- kon, der die Versteinerungen des Frickthals sammelte, dem Dr. Meyer von Schaffhausen und vor allem zu einem jungen Züricher Gelehrten, dem nachmals berühmten Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer. 4 ) Der Neuenhof wurde zum Mittelpunkt regen ge- sellschaftlichen Lebens, ein neutraler Boden, auf dem einheimische und fremde Staatsmänner und Gelehrte mit einander verkehrten. Kein städtisches Fest wurde gefeiert, das nicht der holländische Gesandte mit seiner Gegenwart und wenn möglich mit einer statt- *) Züricher Neujahrsblatt der Feuerwerker - Gesellschaf t. 1875, S. 5, ohne Quellenangabe. *) H 306 fol. 34, 73, 75. 8 ) D 179/182 fol. 31, 33, 36. 4 ) H. 306 fol. 1 — 91. Dieser Band enthält neunzig Briefe Valkeniers an Scheuchzer aus den Jahren 1700 bis 1712, fast ausschliesslich natur- wissenschaftlichen Inhaltes; einige wenige enthalten politische Mitteilungen. Hirschs „Bibliographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte" nennt Scheuchzer einen der gelehrtesten Naturforscher seiner Zeit, ausgezeichnet durch Frei- sinnigkeit und Toleranz. Der letzte Brief ist von Charlotte Bex, die den am 15. Juli 1712 erfolgten Tod Valkeniers mitteilt. — 74 — liehen Rede verherrlichen musste. 1 ) In welchem An- sehen die Familie stand, das zeigt u. A. die Umständ- lichkeit, mit der der Fraumünster -Pfarrer die Taufe der ersten Enkelin, Charlotte von Montmollin, in das Kirchenbuch eingezeichnet hat. 2 ) Obschon Petrus Valkenier sich mit der reformier- ten Geistlichkeit vortrefflich stand, so hielt er sich doch frei von der Richtung zur starren Orthodoxie, welche die Kirche in der Schweiz gegen Ende des Jahrhunderts einschlug, und deren Hauptvertreter in Zürich der Antistes Anthoni Klingler war. In Val- *) Neujahrsblatt der Feuerwerker-Gesellschaft 1875. Zur Einweihung des neuen Rathauses in Zürich sandte Valkenier folgenden Segenswunsch: „Dass in diesem Hauss Gottsforcht praesidiere, Gerechtigkeit regiere, Wahrheit praevaliere, Lieb' und Einigkeit residiere, Und also Stadt und Land ohn' Revolution floriere. 11 Bluntschli, „Memorabilia Tigurina" 1742. *) „Tauf -Protokoll der Gemeinde zum Frau Münster de Anno MDLUI. 27. Oktober 1695: „Vater: Mr. Charle Mumelin Oberst Leutnant Ihr Excellenz Herrn Valkeniren Tochter Mann in Diensten H. H. General Staaten von Holland. Mutter: Madame Charlotte Valkenier Ihr Excellenz H. Peter Val- kenier . . . Tochter. Kind: Charlotte ward im Hauss im Neuen Hoff getauft mit Ver- willigung H. H. Häuptern. Götti: Georg de Momelin alt Kanzler von Newburg alss H. Obrist Vater. Statthalter war Herr Oberstleutenant Escher. Madame Charlotte Valkenir Ihr Excellenz Frau Gemahlin eine geborene von Bex. Nebend den Taufzeugen warend vorhanden noch einige wenige mans und Weibspersonen von Geist- vnd weltlichem Stand und bliebe man in allem bei unsern formalien. NB. Under der gemeinen Bürgerschaft gab es viel tadelns, das mann solche Hausstauff verwilliget. Herr Valkenier praetendirte das alss ein Jus legationis." Die Trauung der Charlotte Valkenier mit Charles de Montmollin findet sich nicht im Züricher Kirchenbuch, weil sie in Rijswyck stattgefunden hatte. Ferwerda a. a. 0. — 75 — keniers späteren Briefen ist sogar etwas wie ein Hauch der Aufklärungsluft des achtzehnten Jahr- hunderts zu verspüren, wenn er z. B. an Scheuchzer schreibt: „Ich bin nicht erstaunt über die unvorteil- hafte Meinung, welche die Züricher Geistlichkeit von der Mathematik hat, als ob sie eine Quelle von Ketzereien sei. Denn wie sollten so skrupulöse Leute, wie die, richtig über eine Sache urteilen, von der sie wenig wissen, und die zu erhaben für ihren vor- urteilsvollen Geist ist, obschon sie im Übrigen ja sehr eifrig für die Sache Gottes sind." 1 ) *) H 306 fol. 78. 76 IV. KAPITEL. Das Züricher Defensivbataillon. 1693—1700. Wenn der Prinz von Oranien seine Schweizer- garde auch nur unter dem Namen von „Domestiken" hatte werben lassen, so war es doch für Zürich eine empfindliche Kränkung gewesen, dass er sie aus- schliesslich aus Bern und Schaffhausen bezogen. So- bald man an Valkenier einen einflussreichen Freund besass, da versuchte Zürich ebenfalls, eine Garde- truppe in Holland anzubringen. Morgen oder über- morgen hoffe er dem Prinzen aufzuwarten, schreibt Valkenier am 9/19. November 1686 an Heidegger, dann werde er die Intention des Kantons, ihm auch eine Kompagnie anzupräsentieren , vorstellen. Der Ratspensionarius Fagel versichere, das werde dem Prinzen sehr angenehm sein. Ob aber das Land den Unterhalt für weitere Schweizergarden bewilligen werde, das sei eine andere Frage. Inzwischen schicke er die verlangte Kapitulation der in oranischen Diensten befindlichen Schaffhauser und Berner Offi- ziere. Nach der Audienz berichtet Valkenier, 30. No- vember, das Anerbieten habe dem Prinzen über die Massen Wohlgefallen, aber er habe gesagt, es sei noch nicht de tempore. Wenn es an der Zeit sei, wolle er dieses Anerbieten annehmen. 1 ) Nach seiner englischen Thronbesteigung schickte *) B 28/101 fol. 475 und 479. — 77 — Wilhelm III. noch im selben Jahr den Gesandten Sir Thomas Coxe in die Schweiz, um 4000 Mann für den englischen Dienst in Flandern zu werben oder zwei Regimenter Leibgarde, die an Zahl und Besoldung der französischen gleich stehn sollten. Die Werbung wurde von den evangelischen Kantonen mit Begeiste- rung aufgenommen. 1 ) Die Leidenschaft, die in Zürich für den Oranier herrsche, berichtet Amelot, habe sich geäussert, „in Demonstrationen heftiger Zuneigung für den Heros ihrer Religion"; sie haben den Gesandten „wie den Messias empfangen." 2 ) Nachdem bereits viel Volk geworben war und die endgültige Unterzeichnung der Kapitulation unmittelbar bevorstand, da zerschlug sich die Sache plötzlich und Coxe musste nach mehr als zweijährigen Bemühungen unverrichteter Dinge wieder abziehn. Ein Schreiben Amelots an Ludwig XIV. vom 24. Dezember 1689 gewährt einigen Einblick in die französischen Intriguen: er habe die beiden Brüder Beding nach Zürich geschickt, von denen der eine ein Freund des Bürgermeisters Hirzel sei. Sie sollten diesem vorstellen, wie wenig man sich auf ein so unsicheres Königtum, wie das des Oraniers, verlassen könne. Selbst wenn dieser Usur- pator sich in England halte, so könne doch seine *) Abschiede VI, 2, S. 317. Vogel, „Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich u , S. 218: ,,1689 hielt am 18. Wintermonat ein englischer Gesandter Thomas Coxe mit 15 Pferden seinen Einzug in Zürich. Man zog ihm mit 1200 Mann zu Fuss und 200 zu Pferd bis gegen "Wallisellen ent- gegen, begrüsste ihn mit Kanonenschüssen und der Antistes Klingler bewill- kommnete ihn im Namen der Geistlichkeit . . . Am 21. Januar wurde in der Grossmünsterkirche deshalb ein besonderer Gottesdienst abgehalten." 2 ) Paris Arch. des Äff. Etr. Suisse, 95 fol. 130. Memoire sur la Suisse, 3. Sept. 1691. — 78 — Freundschaft den Schweizern zu nichts nützen. Das einzige Interesse der Schweiz bestehe in ihrer Buhe und das sicherste Mittel hierzu sei: eine exakte Neutralität zu wahren, die Passagen gut geschlossen zu halten und keine neuen Verpflichtungen ein- zugehn. Reding sei auch beauftragt gewesen, die Eifersucht zwischen den beiden Bürgermeister- familien zu benützen und Hirzel vorzustellen, wenn Coxe Erfolg habe, dann falle alle Ehre davon auf Escher, der seinen Sohn nach London geschickt hatte, um diese Gesandtschaft zu sollicitieren. Wenn dagegen die Bemühungen des Oraniers scheiterten, und die Schweiz neutral bleibe, dann falle alle Ehre auf Hirzel, und Frankreich werde sich ihm über Erwarten dankbar erzeigen. Die Redings hätten diesen Auf- trag ausgeführt, aber sowohl der Bürgermeister Hirzel wie sein Sohn, der Ratsherr, seien unzugänglich „und wenn man ihnen den Wert der ganzen Stadt Zürich anbiete." Man sei in dem dortigen Kanton „furieuse- ment aigri" wegen der Verfolgung der Protestanten und wegen der schlechten Behandlung der schweizerischen Gesandten in Paris. 1 ) Dass es schliesslich Amelot doch gelungen ist, Einfluss in Zürich zu gewinnen, beweist das Zerschlagen des englischen Geschäftes. Valkenier beschuldigt die evangelischen Orte, unloyal gehandelt und eine Reprimende aller reformierten Mächte verdient zu haben. Von Anfang an hätten sie gewusst, dass Coxe beauftragt gewesen sei, auf französischem Fuss zu kapitulieren und dass diese Truppen zum Dienst in Flandern zur Verteidigung Hollands bestimmt gewesen seien. Da habe man viel *) Bundesarchiv, Kopien. Mappe Tambonneau 1689, IV 98. — 79 — Redens von Religionsgemeinschaft und von Freude über diese Werbung gemacht. Unter der Hand aber sei alles geschehn, um sie durch nachträgliche un- sinnige Bedingungen zu hintertreiben. Nicht nur, dass man dem König die Ernennung der Offiziere verweigert, man habe auch noch „zwei Millionen an Geld" verlangt und schliesslich erklärt, die Truppen dürften nicht aus England hinaus. Spreche man mit den Regenten, so schöben sie alle Schuld auf Coxe. Rede man aber recht ad hominem auf sie ein, dann würden sie verlegen und wüssten sich nicht recht herauszuhelfen. Die eigentliche Ursache, dass die Sache sich zerschlagen, sei nichts als ein Komplot, an dem sich einige aus blosser Picquanterie gegen Coxe, andere wegen ihrer Handelsinteressen beteiligt. Er wisse es als gewiss, dass Frankreich einigen Züricher Kaufleuten, die gegenwärtig Regenten seien, Vergünstigungen für ihren Handel verliehen habe. Massenhaft zöge die bereits angeworbene Mannschaft, nachdem sie durch Spottlieder vor der Wohnung des englischen Gesandten ihrer Enttäuschung Luft gemacht, nach Solothurn, um französischen Dienst zu nehmen. Von den Züricher Leuten seien einige wieder ein- gefangen worden und hätten in dem Verhör ausgesagt, dass sie gern im Lande bleiben würden, wenn man ihnen nur Arbeit verschaffe, aus Mangel an Verdienst hätten sie schon seit sechs Wochen kein Brot mehr gegessen. Wenn man solchen Zuständen gegenüber, fährt Valkenier fort, von Neutralität reden wolle (d. h. entweder keiner der kriegsführenden Mächte Truppen zu geben oder beiden), dann werde auf die Not des Volkes hingewiesen und dass Frankreich die einzige — 80 — Macht sei, die reell werbe. Durch das Zerschlagen des englischen Geschäfts seien die französisch Ge- sinnten wieder ganz obenauf und sie spotteten, dass die evangelischen Kantone auf Holland und die Alliirten keinen Staat machen könnten. 1 ) Valkenier war bei seinem ersten Auftreten auf der Tagsatzung zu Baden 1690, der Aufforderung des englischen Gesandten, ein Regiment für Holland zu verlangen, nicht nachgekommen, denn dergleichen lag nicht in seiner Instruktion. Allein je länger desto mehr erkannte er den schweizerischen Verhältnissen gegenüber die Notwendigkeit einer holländischen Werbung. Frankreich nahm alle an, welche der Not- stand ihm zutrieb, überall hielten seine Werber und Agenten sich auf, und fortwährend wurde seine Truppenmacht durch die ihr zuströmenden Schweizer verstärkt. Der Ort Rapperswyl erhielt eigens eine Pension dafür, dass sich dort beständig französische Werber, und zwar ausschliesslich französische, auf- halten durften. 2 ) Nur zwei Mittel gab es, um dem einen Damm entgegenzusetzen: Arbeit im Lande selbst, oder Werbung seitens der anderen Mächte. *) An Fagel, 8. Februar und 15. Februar 1691. Bis zu welchem Grade es Amelot gelang, den König Wilhelm in Zürich zu diskreditieren, geht aus einer Beschwerde des folgenden englischen Ge- sandten Herwarth hervor: dass die Züricher Zeitungen Seine Majestät von Grossbritannien nur als Prinzen von Oranien traktieren. Der Magistrat muss deswegen den Zeitungsstellern Gessner und Schaufelberger „gezimmen- den respect" befehlen. U. S. II, 1693, 15. August. 2 ) An Fagel, 26. November 1691. A 217, 2: „ ... ist zuerbarmen, dass daselbst alle Zeith "Werber sich einfindend und man nit genug wehren und gaumen kan, und wen gleich alle Sontag Mandat gelesen wurden." Landvogt Leu in Grüningen an den Seckel- meister, 24. März 1693. — 81 — Ihren mittellosen Unterthanen ausreichenden Ver- dienst durch Arbeit zu verschaffen, dazu waren die Regierungen unfähig. Bezeichnend für deren Kurz- sichtigkeit war die Niederhaltung einer freieren Ent- wickelung der Industrie und die Verdrängung der Refügianten, weil man fürchtete, sie würden Fabriken anlegen. Um einer kleinen Zahl von Einwohnern ihren Erwerb zu sichern, wurden Wege verschlossen, auf denen Tausende Brot gefunden hätten. Noch 1692 mussten in Basel bei einem Vergleich zwischen den kleinen Band Wirkern und den Bandfabrikanten die letzteren nachgeben und versprechen, zwei Kunst- webestühle „gentzlich abzuschaffen, sich deren zu begeben vnd darauff weder hier noch anderstwo ar- beiten zu lassen. " Vergeblich hatten die Fabrikanten dem Rat vorgestellt, dass es mehr zum Gemeinwohl beitrage, solche Webstühle „zu pflanzen, als sie zu vertreiben." Auch die Strumpffabrikanten hatten sich damals, um dem Kleingewerbe der Hosenstrickerei nicht den Verdienst abzuschneiden, verpflichten müssen, ihre Waren nur auf auswärtigen Märkten zu verkaufen. 1 ) Was ein Amsterdamer Freund 1650 an Hottinger geschrieben, das galt jetzt noch: „O wan Sweitzerland doch einmahl begreiffen könte den nutzen eines freien handeis vnd Hess alle einwohner vnd fremde gleich schalten vnd walten, doch also das die Sweitzer die gantze regierung an sich behalten wie sollte das eine Terribele Republic werden, weil sie aber diese freiheit selbst ihren eingebohrenen verknöpfen! So muss ihre manschaf fremden potentaten vmb das liebe brot dienen, also das es scheint, als Hessen sie *) Basler Ratsprotokolle. 1692, 30. Januar, 20. Februar, 5. März, 20. April. 6 — 82 — die Goningen nur darumb zwischen ihren bergen in ruhe sitzen damit sie manschaf geben möchten zu ihrem Dienst vnd Knechtschaft" 1 ) Bei einer Be- ratung in Zürich, „wie die Jenigen weliche wegen Grosser Armut und mangels nicht in dem Vatter- land bleiben können, versorget vnd vndergebracht werden möchten", lautete der Beschluss: es soll jedem unbenommen sein, seine Fortun in fremden Kriegsdiensten zu suchen. Das hiess mit anderen Worten: wir können Euch nicht helfen, lauft, wohin Ihr wollt. 2 ) Den Notstand im Züricher Gebiet hatte Valkenier unmittelbar vor Augen. Fünfzehn bis zwanzig Familien sollen während der Hungersnot wöchentlich dort aus- gewandert sein. 8 ) Aus anderen Kantonen, z. B. aus Glarus und Appenzell, sowie aus Graubünden liefen wiederholt Anfragen bei ihm ein, ob denn noch immer keine Aussicht auf holländischen Dienst sei. 4 ) Er drängte die Generalstaaten, ihm Auftrag zu einer Werbung zu erteilen, als das einzig wirksame Mittel, um unter den gegenwärtigen Verhältnissen Frankreich die Hilfskräfte der Schweiz zu entziehn. Einen unermüdlichen Bundesgenossen bei diesen Bestrebungen hatte Valkenier an der reformierten Geistlichkeit. Die Aufhebung des Edikts von Nantes und die Verfolgung des Protestantismus in Frankreich gab ihr nach dem Wortlaut des Bündnisses ein Recht, auf die Rückberufung der Truppen zu dringen. Die *) F 51. Heinrich Clignet an Hottinger, 10. Mai 1650. *) ü. S. 1694, 10. Februar und A 217, 2, 24. Januar 1694. 8 ) Äff. Etr. Suisse, 99, fol. 239: „Relation de mon voyage a Zürich." Juni 1693. 4 ) An Fagei, 22. März 1691. — 83 — Stelle lautete: „S'il arriuoit dans la France quelque persecution contre ceux de la religion de Nous, lesdits Gantons . . . Nous . . . ne serons obliger de laisser aller lors nos suiects, ou dependants au seruice de sa Majestö et nous pourrons mesme rapeler ceux qui y seront, aux quels Nous Louis Roy donnerons congö et les payerons, de ce qui leur sera deu pour s'en retourner seurement en leur pais." 1 ) Im August 1692 richteten die Basler Theologen eine Mahnung an den Magistrat, dass der bevor- stehende Fast- und Bettag ein rechtes Heuchelwerk sei, wenn er nicht mit „rechtschaffener, ungleiss- nerischer buss vereiniget" werde. Das Schriftstück berührt nur mit wenigen Worten die landesüblichen Sünden der Basler: falsch Schwören, Fluchen, Sabbath- schänden, Prassen und Schlemmen, um sich dann in zwölf langen Seiten gegen die Hauptsünde, den fran- zösischen Kriegsdienst, zu wenden. Der Obrigkeit werden scharfe Vorhaltungen gemacht, „das Ewer Gnaden Burgers vnd Vnterthanen Söhn zu Stadt vnd Land vnd zwar vnder Ewer Gnaden ansehen vnd mit dehro wissen vnd willen In grosser Menge der Krön Frankreich dienen." Dieser Dienst gehe direkt wider das Kirchengebet, in dem es heisse: „Gott wolle die egyptische Finsternissen nicht wieder lassen eingeführet werden, er wolle den Arm derjenigen zerbrechen, die dies zu thun sich unterstehen, auch derjenigen, die Lust haben zu unbilligen Kriegen." Wenn jemand *) Zweiter Beibrief 1658 zum Bündnis zwischen Frankreich und der Schweiz. Abschiede VI, 1. S. 1666. Es ist das die Stelle, auf welche die reformierten Kantone sich während des Krieges in den siebenziger Jahren berufen hatten, von der Louvois bemerkt, diese Worte hätten nichts mit den Holländern zu thun. 6* — 84 — auf Befehl der eigenen Obrigkeit ins Feld ziehe, dann habe er nicht zu prüfen, ob der Krieg gerecht oder ungerecht sei, die Verantwortung hierfür fallen auf die Obrigkeit. Wer aber um Sold fremden Herrn diene, sei selbst verantwortlich. In einem ungerechten Krieg sei ein solcher ,, nicht viel besser als ein Assas- sinator, der sich mit geld zu morden und brennen dingen und bestellen lässt." 1 ) „Wir können den Ein- wurf . . . leichtlich verstehen, die Cron Frankreich habe unser Stukk Brod in dero hand, geben wir kein Volk, so werden sie uns kein Brod zukommen lassen, sondern den Fruchtpass zugeschlossen behalten, da dan die theürung continuiren ja wachsen vnd zu- nehmen dürfte. R. Es ist dies ein argument herge- nohmen ab utili von der Nuz barkeit, wider das wz recht vnd billich ist, auf welcherley argumenten auch die Ehrbaren Heiden nichts gehalten . . . Solen wir vnser Brod nit änderst haben können, als dass wir es mit der Unserigen vnd Unserer glaubensgenossen unschuldigem blut kauffen müssten, so erbarme es der liebe Gott! Es würde uns wahrlich auf diese weis trühe genug ankommen." 2 ) *) Die Geistlichkeit beruft sich hier u. a. auf Hugo Grotius, De jure belli et pacis: „Nullum vitae genus est improbius quam eorum, qui sine causae respectu mercede conducti militant et quibus ibi fas est, ubi plurimae merces." Lib. I, cap. 24. 2 ) A 13, (24) Kopie: „Bedenkhen der H. H. Theolog. sich beklagend, dass auf ihr jüngstbin eingegebenes Memoriale denen im Schwangh gehenden Sünden vnd Lastern noch nicht gesteüret werden. August 1692." Das Memorial ist unterzeichnet von: Peter "Werenfels, Alexander "Wolleb, Johann Zwinger, Friedrich Battier, Hans Rud. Wettstein, Johann Bauhin, Bonaventura von Brunn, Joh. Heinrich Brückner, — 85 — Die Züricher Geistlichkeit hatte bereits 1689 und 1690 in demselben Sinne scharfe Schreiben an die Obrigkeit erlassen. 1 ) Im September 1692 fand in Zürich eine Konferenz statt wegen einer abermaligen Denkschrift und wegen der „unverschämten Predigten." Die Geistlichkeit erklärte, ihr Gewissen habe ihnen geboten, gegen die Hilfe zu predigen für einen König, der ihre Glaubensgenossen vertreibe und der einen ungerechten Krieg führe. Der Magistrat antwortete darauf: wenn der König nicht geglaubt hätte, nach seinem Gewissen zu handeln, und wenn er die Folgen vorausgesehn hätte, so würde er das nicht gethan haben. Ob aber dieser Krieg gerecht oder ungerecht sei, darüber könnten sie nicht urteilen. Ihnen habe der König nichts zu Leid gethan, sondern nur Gutes. 2 ) Am 3. März 1693 forderte der Züricher Antistes Anthoni Klingler die Dekane auf, das Volk vom Ein- tritt in der Widrigen (d. h. der katholischen Mächte) Kriegsdienst zurückzuhalten und warten zu heissen, da eine holländische Werbung in Aussicht sei, wie ihm Valkenier sub rosa mitgeteilt. 8 ) Dass die Pfarrer trotz ihres Synodaleides, „auf alle Werber ein ge- flissenes aufsehen zu haben", das heimliche Werben Joh. Jakob Frey, Friedrich Seyler, Matheus Merian, Johann Rudolph Wettstein, Emanuel Meyer, Andreas Merian, Christoph Bauhin. *) E IL 106. 2 ) Äff. Etr. Suisse, 97 fol. 120. Memoire touchant le Canton de Zürich des 22., 23. et 24. Septembre 1692. 3 ) Simlersche Sammlung, Band 184. Klingler hatte dieses Rund- schreiben auf Befehl der Obrigkeit gegen die „unanständigen perruques und hohen Sturmhaare" der Geistlichkeit erlassen und diese Gelegenheit benutzt, um die Dekane von der bevorstehenden Werbung zu benachrichtigen. — 86 — für Holland begünstigten, geht aus den Verhören hervor. Ein mit neun Mann gefänglich eingebrachter Wachtmeister sagt aus: „Er habe gemeint, Er würde sich höchlich versündigen, wann Er nicht werben würde, massen sein Herr pf arrer ihme zu dieser Wacht- meister Stell freüwdig glükh gewünscht, vnd den Kerlen beweglich zugesprochen habe, dass sie sich dapfer halten sollen, dann sie kommind in einen ehr- lichen Krieg vnter Evangelischen Hauptmann vnd dienend Evangelischem Stand." 1 ) Seit dem Januar 1693 fingen in Zürch kleine Trupps von etwa zwanzig Mann, mit einem Passport Valkeniers versehen, an, nach den Niederlanden zu ziehn. Im Februar meldet Amelots Vertrauensmann (wahrscheinlich ein Katsherr Grebel) nach Solothurn: „Da ich vergangenen Montag die Ehre hatte, Herrn Valkenier zu sehn, frug er mich sogleich, was es Neues gebe. Ich antwortete, nach dem was man aus Holland vernehme, hätten die Generalstaaten vor, einige Regimenter zu begehren. Er erwiderte: binnen kurzem kann ich Euch über dies Kapitel besser unter- halten. Also kann man sehn, dass Absicht vorliegt, was sich wohl bald zeigen wird." 2 ) Im März traf die Vollmacht der Generalstaaten ein, für Holland einige Regimenter oder Kompagnien zu werben. 3 ) Es handelte sich bei diesem Auftrag um die Bildung von sogenannten „Freikompagnien", wo nur mit den Offizieren ein Ver- trag abzuschliessen war. Ob eine solche Werbung öffentlich „unter Trommelschlag" (tambour battant) J ) A 217, 2. Verhör vom 30. März 1693. *) Äff. Etr. Baisse, 98 fol. 159. Kopie. *) A 217, 2. Die Vollmacht ist datiert vom 23. Februar 1693. — 87 — oder, ob sie heimlich, „unter Konnivenz" geschah, das hing dann von einem Übereinkommen mit der Obrigkeit ab. Bei der Werbung „unter Konnivenz" hatte die Obrigkeit nur die Augen zu schliessen, sich zu verhalten, als ob sie nichts davon wisse. Wollte sie jedoch aus irgendwelchem Grunde dagegen ein- schreiten, so konnte sie die Sache „Reislaufen" nennen, d. h. verbotenes, eigenmächtiges Laufen in fremden Kriegsdienst, und sie konnte dann plötzlich alle gegen das Reislaufen gerichteten Mandate dagegen anwenden. Privatkapitulation verbunden mit öffentlicher Werbung wäre für Holland das Vorteilhafteste gewesen. Aber selbst mit heimlicher Werbung war die Privatkapitu- lation einem Vertrag mit der Obrigkeit weit vorzu- ziehn, indem sie Holland die freie Verfügung über die Truppen gegeben hätte, während den Offizieren Konflikte erspart blieben, die unvermeidlich waren, wenn sie sowohl der eigenen Obrigkeit als auch dem neuen Kriegsherrn militärischen Gehorsam schwören mussten. Was Valkenier erstrebte, war daher eine Privatkapitulation und zwar, da auf Erlaubnis zur öffentlichen Werbung nicht zu rechnen war, mit heim- licher Werbung. Gleich nach Eintreffen der Vollmacht ging er ans Werk. Durch den Junker Heinrich Schneeberger liess er drei andere in Zürich anwesende Hauptleute: Hans Heinrich Lochmann, Felix Werdmüller und Franz Schlatter zu sich bescheiden. Er machte ihnen den Antrag, vier Kompagnien aufzurichten und aus diesen ein Züricher Bataillon zu bilden. Die Ernennung der unteren Offiziere blieb ihnen überlassen. 1 ) Von der *) A 217, 2. Verhör vom 9. März 1693. — 88 — Bedingung, die Graf Dohna 1672 gestellt, einem vorher abzulegenden Offiziersexamen, war keine Rede. Freilich geht aus den Briefen der jetzigen Offiziere hervor, dass sie um ein bedeutendes gebildeter waren als die, mit welchen Dohna kapituliert hatte. So ungeduldig alle diese aus französischen Diensten heimberufenen Kriegsleute auf eine neue Werbung harrten, so waren sie doch keineswegs gesonnen, sich billig an Holland zu verkaufen. Valkeniers Berichte sind voller Klagen über die Schwierigkeit, mit ihnen handelseinig zu werden. „Sie haben so viel Formali- täten und Schikanen mit ihrem Bataillon im Kopf und kommen fortwährend mit neuen Prätentionen heraus, so oft ich meine, ganz fertig (heel klaar) mit ihnen zu sein. Ich habe ihnen daher noch bis heute Abend Bedenkzeit gegeben, und wenn sie dann noch weitere Schwierigkeiten machen wollen, so sehe ich von ihrem Bataillon ganz ab und nehme nur geson- derte Kompagnien an." 1 ) Dieser Drohung gegenüber kam die Kapitulation noch am selben Abend zum Ab- schluss. 2 ) ,,Nach langem Feilschen habe ich gestern Abend endlich mit vier Hauptleuten hiesiger Stadt über ein Bataillon kapituliert. Ich habe diesen Herrn so viele Erleichterungen, als nur irgend thunlich, ge- währen, und ihnen Wahrung ihres Ranges und ihrer Vorrechte vor andern Kantonen zusichern müssen, da diese letzteren noch einmal so leicht zu gewinnen sein werden, nachdem Zürich mit gutem Beispiel voran- geht. Diese vier Hauptleute schicken noch heute ihre Offiziere an die Grenzen, um die Werbungen fort- *) An Fagel, 28. März 1693. *) A 217, 2, Copie der Kapitulation vom 20/30. März 1693. — 89 — zusetzen; in drei bis vier Tagen folgen sie selbst nach. In längstens zwei Monaten hoffen sie fertig zu sein, da das Volk schon von allen Seiten zum Dienst herbeiströmt, die ich alle nach der Grenze weise . . . Die Regenten dieses Kantons haben mir unter der Hand versprochen, die Augen zuzudrücken, so viel sie können. Pro forma werden sie wohl etwas Lärm schlagen müssen (sullen sy wel wat bohey maeken moeten), wie sie kürzlich mit dem Verhör der vier Hauptleute gethan, die sie nach dem Verhör wieder gehn Hessen, wie sie gekommen waren." 1 ) Die Werbung ging jedoch nicht so rasch, als er- wartet, von Statten. Die unausgesetzt betriebenen französischen Rekrutierungen, die trotz der Verbote möglich gemacht worden waren durch Bestechung der Landvögte, 2 ) ferner die Werbungen für Piemont und für das Reich, alles das hatte den Kanton fast ent- blösst von kriegstüchtiger Mannschaft. Auch konnte das Landvolk seit Beginn der besseren Jahreszeit wieder Arbeit und Verdienst finden. Endlich standen die in letzter Zeit ergangenen scharfen Mandate (z. B. vom 15. September 1692) hindernd im Wege. 3 ) Noch am 16. Dezember 1692 war allen Vögten der Befehl zugegangen, Werber und Geworbene gefänglich ein- *) U. S. 1693, 14. März: bei der abgelesenen Verantwortung lässt man es einfältig bewenden in der heitern Meinung, dass es bei den jüngsthin wegen des Reislaufens verkündeten Mandaten sein Verbleiben haben soll. *) Paris, Arch. des Äff. Etr. Suisse 99, foL 213. Mai 1693: „Memoire sur la proposition des Etats generaux aux Carrions protestants pour faire une alliance entre ses Maitres et Eux et pour la levee de trois Regiments." Kopie. Der Verfasser dieses Memorials ist der General Peter Stuppa. *) Dieses Mandat (Druckblatt) findet sich eingeheftet im Holzhalbschen Kopienband fol. 110. — 90 — zubringen. Sobald der französische Gesandte sich beklagte, konnte die Regierung sich auf ihre Mandate berufen und die Landvögte und Magistrate der kleineren Orte verantwortlich machen. Diese aber zeigten um so weniger Lust, sich zum Sündenbock herzugeben, als sie von einer holländischen Werbung keinen persönlichen Gewinn hatten. Es liefen daher Anfragen in Zürich ein, wie man sich dieser Sache gegenüber zu verhalten habe. Am 24. März 1693 berichtet der Landvogt Leu von Grüningen: der Leutnant Bodmer, Amtmann Eahnens Tochtermann, sei zu ihm aufs Schloss gekommen und habe ihm er- öffnet, dass Valkenier mit einigen Offizieren Kapi- tulation abgeschlossen. Die Hauptleute warteten in Schaffhausen, bis die geworbenen Völker anlangten. „Woruff ich Ihne widerumb gefraget, ob Mijn gnedig Herren dan dass erlaubt habind, gab zur Antworth, dass nichts würkliches erlaubt seige, aber man werde nichts darwider sagen, sondern durch die Finger schauwen. Sagte Ihmme darüber, dass Er Niemanden vss der Herrschaft mitnemmen solle, dann ich keinen Befelch empfangen, dass ich auch zusehen solle, deutet mir auch an, dass Ein Herr Escher schon 10 Kerle zu Gryffen See habe und wolle dahin reissen selbige auch zu beschau wen . . . Bethe also . . . demüthig umb Befelch und Rath, wie ich mich dess Hollan- dischen Werbens halben zu verhalten haben möchte." 1 ) Infolge der letzten Mandate war es thatsächlich bereits zu einigen Verhaftungen gekommen : am 2. Fe- bruar hatte man ein Mädchen aus Af foltern, Heini Schnebelis selige Tochter, „wegen Verlockhens junger *) A. 237, 2. — 91 — Gesellen in frömbde Kriegsdienste* i in einen eisernen Halskragen gesteckt. Am gleichen Tage wird Jakob Werder aus Küssnacht verurteilt, einen von ihm zum Kriegsdienst verführten Ehemann wieder „harzustellen" oder jährlich zehn Thaler Schadensersatz an Frau und Kinder zu zahlen. Am 4. Februar wird der Gast- wirt zum Affenwagen wegen eines Werbers vom Katzensee zur Verantwortung gezogen. Amelot ver- langte am 7. Februar (27. Januar) strenge Be- strafung des Magistrats von Stein, weil er geduldet, dass Montmollin in der „Sonne" daselbst an sechzig Mann geworben habe. Der Magistrat von Stein hatte nur sechs Mann zugegeben und sich entschuldigt: er habe geglaubt, meine gnädigen Herren wollten durch die Finger schauen, wenn für Holland geworben werde. Es ergeht ein Befehl, den Hauptmann de Montmollin (Valkeniers nachmaligen Schwiegersohn) mit Leib und Gut nach Zürich zu schaffen, doch ohne ihn zu binden. 1 ) So war durch die unklare Haltung der Züricher Regierung alles in vollster Verwirrung, als sich am 24. März der grosse Rat der Zweihundert versammelte, um die Instruktion für die am folgenden Tag nach Bremgarten abreisenden Gesandten, Bürger- meister Heinrich Escher und Statthalter Andreas Meyer zu entwerfen. In diese Versammlung trat un- erwartet ein expresser Bote aus Solothurn, der die Nacht durchgeritten war, und der eine scharfe Be- schwerde überbrachte, dass der Magistrat trotz seiner öffentlichen Erklärungen die Augen zu der heimlichen Werbung schliesse. Das sei untreu, unehrenhaft und undankbar gegen den König, der ihnen fortwährend ') A 217, 2 und U. S. I. 1693. — 92 — Wohlthaten erzeige, ohne irgendwelche Gegenleistungen von Zürich zu erhalten. 1 ) Das Auftreten des fran- zösischen Boten war zweifellos veranlasst worden durch diejenigen Kegenten, welche die holländische Werbung bekämpften, durch „die Partei der Freunde", wie sie in der Amelot'schen Korrespondenz genannt werden. An ihrer Spitze stand der Katsherr Johann Caspar von Muralt. 2 ) Stürmisch wurde verlangt : alle Verwandten der von Valkenier angenommenen Offi- ziere müssten den Saal verlassen. Die Mehrzahl des grossen Rates trat infolgedessen hinaus. Die zurück- bleibende kleine Minderheit fasste in grösster Hast stehenden Fusses den Beschluss: die Offiziere zur Verantwortung zu ziehen, an alle Landvögte Befehl zu schicken, Werber, Aufwiegler und Geworbene ohne Ansehen der Person sofort verhaftet nach Zürich zu schicken und die Mandate wider das Reislaufen aufs Neue einzuschärfen. 8 ) ,,Als ich gegen Mittag ein Gerücht von dieser Verhandlung erhielt," berichtet Valkenier, , »begab ich mich nach Tisch sofort zu beiden Bürgermeistern, um von ihnen zu hören, was an der Sache sei. Sie ent- schuldigten sich mit Unwissenheit, weil sie unter den Ausgeschlossenen gewesen seien. Welche Mühe ich auch anwandte, konnte ich doch nicht eher dahinter kommen, als bis nachmittags die Citation an die Offi- *) A. 217. 2. Schreiben vom 3. April (23. März) 1693. *) Schreiben Bernhards von Muralt in Bern an Valkenier, er habe gefürchtet, dessen Freundschaft für ihn werde verkühlen, wegen der Hitzig- keit, mit der sein Vetter in Zürich die holländische Werbung bekämpft habe. Einliegend im Schreiben an Fagel vom 30. Mai 1693. 8 ) ü. S. I 1693, 25. März. — 93 — ziere und der Befehl an die Landvögte bereits ver- sandt war." 1 ) Die Geistlichkeit beschloss, nach dreimaliger Be- ratung, dem Magistrat mit einem ernsten Memorial ins Gewissen zu reden. Gleichzeitig begehrte Valkenier, am 28. März, durch seinen Sekretär eine Audienz, ohne zu eröffnen, „was seine zu proponieren vorhabende Materie sein möchte." Der Stadtschreiber überbrachte ihm die Antwort: die Audienz solle ihm einhellig be- willigt werden, aber er möge sein Anliegen zuerst dem kleinen Rat vorlegen. Er bestand jedoch auf ,,audienz recta" vor Rat und Bürgern. Sie wurde für den 1. April bewilligt. 2 ) Am 30. März fand das Verhör der Offiziere statt. 8 ) Valkenier verlangte, *) An die Generalstaaten 1/11. April 1693. 9 ) S. S. I. 1693. a ) A. 217. 2. Protokoll über das Verhör am 30. März und am 8. April 1693. (Holzhalb fol. 17—39). Major Felix Werdmüller bekennt: von Valkenier 1000 Thaler zur Werbung erhalten zu haben. Seine Offiziere seien Heinrich Friess, Meiss im Winkel und Heinrich Escher aus der Lux- grub. Er habe nicht im Lande selbst geworben, auch hätten ihm namhafte Herrn gesagt, man werde durch die Finger schauen. Oberstlieutenant Loch- mann: seine Offiziere seien: Junker Gerold Escher ab der Kömbelgass und Heinrich Bodmer. Er habe ihnen Auftrag gegeben, wenn sie unter der Hand und mit Manier jemanden werben könnten, möchten sie es thun, aber alles in der Einbildung, man werde durch die Finger sehn. Hauptmann Schlatter: sein Offizier sei Friedrich Breitinger. Lieutenant Heinrich Friess: er habe vier Kerle zu besehn bekommen, welche sich zur An- nehmung ehrlicher Kriegsdienste anerboten. Nachdem er ihnen Essen und Trinken bezahlt, seien sie ihm wieder durchgegangen. Lieutenant Bodmer: es sei das Gerücht gekommen, Meine gnädigen Herrn wollten diese Wer- bung unter der Hand geschehn lassen. Als er drei Kerle geworben, da habe der Landvogt Leu sie in Arrest genommen. Junker Es eher von der Kömbelgass: er sei zum Werben an den Greifensee gegangen, die Ge- worbenen seien aber noch dort. Hauptmann Montmollin: er sei Kapitain der Generalstaaten, seine Offiziere seien fremde, ausser dem Fähnrich Escher von Andelfingen, der bereits mit Völkern auf dem Marsch nach Holland sei. — 94 — ebenfalls noch an diesem Tage gehört und feierlich zur Audienz abgeholt zu werden wie ein könig- licher Gesandter „massen seine H. Principalen die H. H. General Staaden, unter den Königlichen vnd denen Envoye's Extraordinaires von Republiquen in den Curialien auch keinen Unterscheid machend." Zweiunddreissig der anwesenden Ratsherren waren gegen die sofortige Audienz, sieben, darunter drei Werdmüller, dafür; es blieb daher beim 1. April. Das Unrecht Ludwigs XIV. und das Recht Hollands und der Alliirten in dem gegenwärtigen Krieg, sowie die sich daraus ergebende Pflicht der evangelischen Eidgenossen, Holland beizustehen, bildete den Inhalt der fulminanten Rede, die Valkenier am 1. April 1693, sitzend und bei offener Thüre, Rat und Bürgern vor- trug: „Der zu Diensten des grossen Gottes und zu seiner selbst Erhaltung alle Kräften einspannt, findet entlich bey Gott und Menschen noch hülf ; wie dan unsere Niederländische so wohl als hiesige Löbliche Republicq vormahls dazu alles aufgesetzet, auch zu er- staunung der gantzen Welt das euserste gewaget und sich dadurch zu Freyen Völckeren gemacht. Wir alle- sampt als Nachkommen unserer heldenmüthigen Vor- fahren seind unseren Nachkommen sowohl als uns selbsten eine gleiche Trew und Dapfferkeit schuldig u. s. w." Er hält ihnen vor, wie er nun zwei und ein halbes Jahr unter ihnen gelebt und durch die vielen Lieutenant Holzhalb war auf die Citation nicht erschienen, da er eben- falls schon mit Völkern abmarschiert war. Junker Es eher aus der Lux- grub stellte sich erst am 8. April ein, weil er auf Befehl des Majors Werdmüller zu Gallingen drei Gesellen, die zur Verschickung in fremde Kriegsdienste verurteilt seien, und auch dem „Hardjagli" habe hüten müssen u. s. w „Hardjagli" bedeutet das Abstreifen des Waldes nach fremdem Gesindel. — 95 — Dienste, die er ihnen geleistet, alles Anrecht auf ihr Vertrauen habe: „Was geschieht aber? Eine Löbliche Grosse Eaths Versammlung hat am nechst verwichnen Samstage gerathen können finden, dass Sie auf ein Schreiben, so in selbiger Stund vom franzö- sischen Herrn Ambassadorn wäre einkommen, also fort hat deliberirt, resolvirt und dabey Knal und fal eine scharffe Execution verordnet . . . Man hat dabey auch können gutfinden, nur den geringsten bericht davon nicht mit zu theilen . . . Dass ich nun zu diese publique audientz anlass genommen, ist der- wegen geschehen, weilen Eine Löbliche Versamm- lung auss. jetz vorsey ender Sache ein Publiques Ge- schafft gemacht, da ich hergegen in der stille alles gern in stand hätte bringen mögen." Wenn die katho- lischen Cantone kein Bedenken trügen, ihre in Frank- reich stehenden Truppen, gegen die Bestimmungen des Bundes, offensive gebrauchen zu lassen, dann brauchten die evangelischen auch keins zu tragen, Holland Volk zu geben zur Vertheidigung von Religion und Freiheit. 1 ) Gleichzeitig überreichten die Kirchen- und Schul- diener ein vom Antistes Anthoni Klingler abgefasstes, sehr nachdrückliches Memorial: Bis jetzt habe das evangelische Schweizer Volk „nit allein des Schadens Josephs nichts geachtet, sondern den Joseph selbsten in seine Tödtliche gruben geworffen, darin Er biss auf diss stund wehmüthig geseüfzet, und gantze Ströhm blut geschwitzet, auch dessenthalben mundt- liche vnd schriftliche Klagten in offnem Truck, so wol gegen uns selbsten, als gegen dem gantzen Christenlichen Europa geführet. So sind wir auch *) Die Rede, von Valkenier eigenhändig geschrieben in A. 217, 2. — 96 — Tausendtfalt in vnserem G'wüssen überzeuget, vnd wird es niemand, weder weltlichen noch geistlichen Stands laugnen können . . . dass der gegenwärtige Hunger vnd mangel so gross by vnsserem erarmeten Volk, zu Stadt vnd Land, dass die eüsserste noth ein grosse anzahl desselben, von Zeit zu Zeit, das Land mit dem rucken anzesehen, vnd Ihre vnderhaltung anderstwo, insonderheit in frömbden Kriegsdiensten zusuchen treibet vnd zwinget ; die dann weder Eüwer vnser gnädigen Herren gewalt noch Mandat, noch Treüwung, noch ein ohnmüglicher. Hag vnd Zaun umb dass Vatterland hinderhalten, sonder lauffen lassen müsset, wer nur lauffen will." Wie oft habe man auf dem Rathaus und auf der Kanzel geseufzt und geklagt: „Ach dass die Alliirten, dass der König in Engelland, die Holländischen Provinzen, doch vnser volk in Ihre Kriegsdienst nehmen, damit Sie von den Fran- zösischen Diensten abgehalten wurdend ! Item, wer ist schult, dass vnsser Volk den Franz. Diensten nachlauffen muss, als aber die Alliirten? Warumb nemmen sie vnss dieselben nit ab? Vnd Ihr geistlichen, hat es in öffentlichen Deputationen geheissen, warumb haltet Ihr by Herren Abgesandten Falkenier, by dem Ihr credit habend, nit an, dass Er bey seinen Herren Prinzipalen, einen Reformirten Auffbruch vnserer Volkeren zubegehren ausswürke! . . . Der gnädige vnd Barmherzige Gott, der die Herzen der Fürsten vnd potentaten in seiner Hand hatt, vnd Sy leitet nach seinem h. Willen, der Zeühe Euch vnser Gnädigen Herren an mit dem Geist der Weissheit vnd der Dapferkeit . . . dass Eüwer schluss Gott dem Herren gefellig, der Kirchen Gottes erspriesslich, dem Vatter- — 97 — land nutzlich, dem Gewüssen verantwortlich, Eüwerem Volk tröstlich, vnd erfreüwlich." 1 ) Beide Reden wurden den Abgesandten nach Bremgarten geschickt mit dem Auftrag, sich darüber mit den Bernern „ vertraulich' ' zu beraten, „jedoch also, dass die Vortrag ihnen nicht vorgelassen, viel weniger mitgeteilt werden." 2 ) Inzwischen wurde in Zürich ein Ausschuss für das holländische Werbungsgeschäft ernannt. 3 ) Die scharfen Befehle, die der Magistrat in den nächsten Tagen abermals in die Vogteien erliess, hatten ent- weder den Zweck, Amelot zu täuschen oder das Ver- laufen des Volks in andere Regimenter als in das Züricher Bataillon zu verhindern. 4 ) In Wirklichkeit *) A. 217, 2. 2 ) Züricher Missive IV, 170. Schreiben vom 29. März und vom 1. April 1693. 8 ) Der Ratsbeschluss nennt als Verordnete „alle Herren Heübter", das heisst die Bürgermeister und die Statthalter, und noch elf namhaft ge- machte Katsherrn und Beamte. Valkenier erwähnt dagegen in seinem Schreiben an Fagel wiederholt, dass der Ausschuss aus vierundzwanzig Mit- gliedern bestehe. 4 ) Missive IV. 171 fol. 104, 5. April 1693. Ratsmanual U. S. I. 1693 fol. 131, 132 u. s. w. Die Werbung des Graubündner Regiments für Holland durch Herkules von Capol hatte sich bis in den Kanton Zürich, aus- gedehnt, und der Magistrat trat ihr wiederholt entgegen. Holzhalb fol. 38: „Sonsten werde Herren Obrist Capaul heftig bekümberen, wann Er er- fahren werde, dass Er by Meinen gn. Herren also übel angeschriben." Capols Werbung wurde um so mehr gefürchtet, als er durch die Verheiratung seiner Tochter mit einem Züricher Werdmüller Anhang im Kanton hatte. Das Volk lief ihm mit Vorliebe zu, da er für einen „rechten Vatter der Soldaten" galt (fol. 381). Ebenso gefürchtet war Montmollin, der für das Berner Regiment warb. Als er im Dezember 1693 sich in Zürich aufhielt, musste er sich vor dem Rat verantworten, warum er da sei. Er erklärte, er sei nicht um Werbens willen da, „falle Ihm sehr verdriesslich, dass Er alss ein Ehrlicher Mann und der niemanden kein Leid zufiiege, hören müsse, man werde Ihn nicht mehr in der Statt leiden, sondern mit nechstem ab der Brugg zu der Stadt hinaussführen". Holzh. fol. 363 ff. 98 sah man den eigenen Offizieren wieder mehr denn je zuvor durch die Finger. Man schämte sich, wie Val- kenier an die Generalstaaten berichtet, des übereilten Beschlusses vom 25. März, und bat ihn, seine Rede niemand mitzuteilen. Die von den Landvögten ge- fänglich eingeschickten Leute hatte man sofort wieder auf freien Fuss gesetzt. Ein Trupp von fünfund- sechzig Mann war bereits unter Leutnant Holzhalb abmarschiert. Valkenier hatte ihnen Empfehlungs- schreiben mitgegeben an die Fürsten, deren Länder sie bei dem Marsch über Stuttgart nach Frankfurt durchziehn mussten. Von dort sollten sie zu Schiff nach Nymwegen geschafft werden. In denselben Tagen hatte Montmollin einen zweiten Trupp von siebenzig Mann unter dem Fähnrich Escher, dem Sohn des Landvogts von Andelfingen, zum Abmarsch in Be- wegung gesetzt. Alles dies ging vor sich, während Bürgermeister Heinrich Escher noch in Bremgarten war und dem dort anwesenden französischen Gesandten die besten Versicherungen gab, dass man von keiner Werbung wisse und auch keine gestatten werde. Amelot richtete von Bremgarten aus am 6/16. April ein langes Schreiben an den Züricher Magistrat : „Ich höre, dass der holländische Minister, indem er sich auf Leute stützt, denen wenig am Wohl des Vaterlands liegt, oder die durch blinde Leidenschaft getrieben werden, öffentlich eine heimliche Werbung begehrt hat und dass seine Rede voller Beschimpfungen gegen den König, meinen Herrn und Euren Verbündeten, ist. Ich vernehme ferner, dass diese Rede unterstützt wird durch ein Memorial aus der Feder derer, die — 99 — ihr Stand verpflichtet, sich mit ganz andern Dingen zu befassen, als Staatsangelegenheiten. " Amelot hält dem Rat die vielen Werbungen vor, die derselbe in den letzten Jahren den Feinden des Königs habe hingehn lassen: den beiden Werdmüller und Oberkan für Piemont, Lochmann für Württemberg, dem Oberst Bürkli sogar einen förmlichen Soldatenhandel (un traffic de soldats). Der Gesandte fordert wirksame Befehle gegen diese neue heimliche Werbung und vor allem, dass den Prädikanten ewiges Stillschweigen über solche Angelegenheiten auferlegt werde. 1 ) Am 3. April hatte der Ausschuss seine „Reflec- tiones" dahin zusammengefasst, dass eine öffentliche Werbung unstatthaft sei, dass aber „dem eint und dem anderen, der also auss sich selbst in kriegs- dienst sich zu begeben, lust gewunnen, und darumb sich bey bekandten Freunden raths erhol] ete, der gute und bessere weg, gleich einem abreysenden privatim gezeiget werden könte. Dises aber nicht in dem Verstand, dass soliches mit Eüwer Meiner gnädigen Herrn Erkantnus geschehe." Durch den Stadtläufer Ulrich Burkhardt wurden am folgenden Tage diese Reflektiones den Abgesandten nach Bremgarten ge- schickt. Escher und Meyer hatten es abgelehnt, ihre Gedanken über dieses so wichtige Geschäft in Schrift zu erteilen. Mit ihrer Rückkehr trat die Wendung zum Schlimmeren für die holländische Sache ein. Während bis dahin der Ausschuss für die Fortsetzung der heimlichen Werbung gewesen war, so erklärte sich in einer Beratung vom 8. April, die von morgens sieben Uhr bis mittags halb drei gedauert, eine Mehr- *) A. 217, 2. 145077 — 100 — zahl von drei Stimmen für das Verbot derselben, und dieser Beschluss wurde am 10. April durch Rat und Bürgerschaft genehmigt. Doch erhielten die sechs Ratsherren, welche beauftragt waren, ihn Valkenier zu überbringen, gleichzeitig die Weisung, dessen Vor- schläge anzuhören, falls er „von öffentlichen Tractaten reden thete." 1 ) Valkenier bot seine ganze Beredsamkeit auf, um den Magistrat zu bewegen, am selben Tage noch ein- mal abzustimmen; er habe das feste Vertrauen, die drei fehlenden Stimmen noch für sich zu gewinnen. Die Deputation erwiderte, dass auf eine so rasche Um- stimmung nicht zu rechnen sei, mindestens acht Tage seien dazu erforderlich. Die nächste Woche, als die letzte vor Ostern, wo man einen grossen Teil des Tages in der Kirche zubringe und in der jeder in Zürich dreimal oder zum wenigsten zweimal zum Abendmahl gehe, sei ungeeignet; die Sache müsse daher bis nach Ostern verschoben werden u. s. w. Valkenier bedeutete ihnen, dass er überhaupt nicht mehr mit dem Ausschuss verhandeln wolle, sondern gradenwegs mit der Regierung. Die Deputation ant- wortete, dass er nicht zugelassen würde. 2 ) Valkenier glaubte in dieser Wendung der Dinge J ) A. 217, 2. „Abgefasster Ratschlag 14 , 8. April 1693. In Holzhalbs Kopienb. fol. 111 findet sich angemerkt, dass 79 Stimmen gegen 76 ge- standen hätten. *) Die Züricher Missive IV. 170 fol. 91 enthalten unter demselben Datum, 10. April 1693, ein Schreiben an Amelot, dass man alle Werbungen verboten habe und alle Werber zur Verantwortung ziehn werde. Unter diesem Konzept steht „nicht abgangen, sondern damit innzuhalten befohlen worden, biss mann sehen werde, wo das Holländische Werbungsgeschäft seinen ausgang nemme. u 101 das Wirken derselben Persönlichkeiten zu sehn, die es verstanden hatten, im Jahre vorher das englische Geschäft noch im letzten Augenblick zu Fall zu bringen. Mit dem Scheitern der Sache in Zürich aber wäre sie überhaupt in der ganzen Schweiz vereitelt gewesen. Schon hatten Schaffhausen, Glarus, Appenzell nach jenem Beschluss vom 25. März ähnliche Verbote er- lassen. Valkenier beschloss daher, den Kampf um die heimliche Werbung unverweilt aufzugeben und, ohne den Gegnern Zeit zu neuen Bänken zu lassen, die Genehmigung der Regierung für eine öffentliche Werbung durchzusetzen. Am 11. April reichte er durch Statthalter Hess dem geheimen Rat die Kapi- tulation ein, die er am 20. März mit den Hauptleuten abgeschlossen, und beantragte deren Bestätigung, sowie die öffentliche Werbung eines Bataillons zur Verteidigung Hollands. „Als dieses Gesuch in den geheimen Rat kam", schreibt er am 12/22. April an Fagel, „da überraschte es die von der Gegenpartei so, dass sie sofort sagten, jetzt könne man nicht mehr ausweichen. Der geheime Rat brachte den Vormittag mit Überlegen zu und liess nachmittags den Aus- schuss der Vierundzwanzig abermals beratschlagen, was bis zum Abend dauerte. Heute Morgen kamen zwei Herren mir sagen, dass sie Befehl hätten, die Kapitulation mit mir durchzugehn, was auch sofort geschah. In einem der Artikel gestand ich ihnen die Ernennung der vier Hauptleute zu, mit der münd- lichen Abmachung, dass sie keine anderen ernennen, als die, mit welchen ich vorher kapituliert hatte." Wie es in einem Schreiben aus den fünfziger Jahren einmal heisst, der 12 lte Psalm habe im Herzen — 102 — der Züricher gelautet: „Ich hebe meine Augen auf gen Bern", 1 ) so wandte man sich auch jetzt wieder eiligst an den Berner Magistrat, er möge ihnen mit- teilen, ob Valkenier ein gleiches Begehren auch an sie gestellt, und was sie darüber dächten. Antwort: an Bern sei nichts gelangt, „dahero wir auch dess- wegen keine Gedanken walten lassen." 2 ) Mit welcher Ängstlichkeit Zürich vorging, dafür ist ein Beschluss vom 21. April bezeichnend: der Entwurf zur Kapi- tulation, den der Magistrat ausgearbeitet, sei Valkenier nicht von „Oberkeits wegen oder auss der Cantzley zuzestellen" , sondern sein Sekretär könne kommen und ihn abschreiben. 3 ) Die schier endlosen Beratungen und Verhand- lungen, die in Zürich während der Monate April und Mai über die Sache stattfanden, drehten sich im wesent- lichen um zwei Punkte: erstens, dass das Züricher Bataillon nur zur Verteidigung verwandt werden dürfe und zweitens, dass es den Eang eines Regiments haben müsse. In Bezug auf den ersten Punkt ver- langte Zürich, dass in dem Artikel von der Be- schränkung auf die Defension noch das Wort „allein" hinzugefügt werde. Valkenier verweigerte das, weil es ein Misstrauen in sich schliesse, „das sich unter Souveränen nicht passe, am wenigsten unter Repu- bliken." „Herr Valkenier will mit aller Gewalt", schreibt Grebel an Amelot, „das Wort , allein zur Ver- teidigung ihrer Länder und Provinzen* aus einem Artikel entfernt haben, das die Freunde, nachdem sie x ) F. 66, Bodmer an Hottinger, 23. März 1656. 2 ) Züricher Missive IV. 170 fol. 95. A. 217, 2. s ) Holzhalb fol. 155. — 103 — sahen, dass sie das Übergewicht nicht behaupten konnten, hinzufügen und klar erläuteren Hessen . . . Die Freunde suchen also alle erdenklichen Mittel, um diese schöne Werbung zu verhindern und abzuwenden. Infolgedessen ist die Gereiztheit zwischen den Freunden und der Gegenpartei sehr gross." 1 ) Valkenier erkannte, dass die Sache scheitern werde, wenn er in diesem Punkt nicht nachgebe; so bewilligte er denn diesen Ausdruck, indem er die Hochmögenden damit be- ruhigte, das werde nur hineingesetzt, um Frankreich nicht ganz vor den Kopf zu stossen. Die Hauptleute würden sich in einem Separat vertrag verpflichten, den Hochmögenden unbedingten Gehorsam zu leisten. Ausserdem, da Frankreich sich im Gebrauch seiner Schweizer nicht an die Traktate halte, so brauche Holland es künftig auch nicht zu thun, und zwar um so weniger, als dieser ganze Krieg ein Defensivkrieg sei. 2 ) Was den zweiten Punkt, den Rang, betraf, so war es hauptsächlich die Eifersucht gegen Bern, was den Züricher Forderungen zu Grunde lag. Man fürchtete, es werde dem Kanton ein Präjudiz daraus erwachsen, wenn gelegentlich sein Bataillon unter das Kommando des Berner Obersten komme. Man verlangte daher, dass aus den ersten Schweizerischen Kompagnien, die Holland über die jetzt beabsichtigten *) Paris Äff. Etr. Suisse 98 fol. 178, Kopie. 2 ) An Fagel, 2. Mai 1693 (22. April). A. 217, 2: „Memorial wegen des Wörtleins Allein in dem Holländischen Werbungs-Traktat. 11 In diesem Memorial sind die früheren Bündnisse und Beschlüsse aufgeführt, in denen die Schweiz die Verwendung ihrer Leute ebenfalls auf die Defension be- schränkt: 1553, 1635 mit Frankreich,, im Abschied vom Februar 1674 § 8, Abschied vom März 1639 § 4, vom Januar 1676 § 4, in der Strassburger Kapitulation 1675, im Traktat mit dem Kaiser 1690, im Abschied vom Mai 1690 § 23. — 104 — zwanzig hinaus werbe, das Züricher Bataillon zu einem Regiment vervollständigt werde. Man ver- langte ferner, dass alsdann das Patent des Züricher Obersten zurückdatiert werde auf das Datum der jetzt abzuschliessenden Kapitulation. Sonst sei dessen Patent jüngeren Datums als das des Berners, und noch niemals sei es geschehen, dass ein Züricher Oberst sich von einem Berner habe befehlen lassen. ,,Noch mehrere andere Punkte zum Vorteil des Kan- tons kamen aufs Tapet, fielen aber rasch unter den Tisch, sobald man sie mit Vernunft geprüft hatte." 1 ) Zürich holte sie jedoch immer wieder unter dem Tische hervor und verlangte, dass bestimmte Gegen- leistungen ,,nachtruckentlich und tädtlich" in die Kapitulation eingerückt würden, z. B. freier Korn- kauf und Handel im Reich, Einschluss in den künftigen Frieden , holländische Truppenhülf e, falls Zürich von Frankreich angegriffen werde, end- lich eine bestimmte Zusage auf Geld. Valkenier er- widerte: wegen Handel, Kornkauf und Einschluss in den Frieden werde er sein Bestes thun. Eine Geld- zusage könne er nicht geben, da er keine Gewalt über seiner Prinzipale Beutel habe und was Truppen be- treffe, so müsse in jeder Sache Proportion sein. Holland werde nicht etwa 14,000 Mann hazardieren wegen vier Kompagnien. Uebrigens habe Frankreich gegenwärtig genug zu thun, es habe keine Not, dass es auch noch mit der Schweiz anbinde. 2 ) In einem Schreiben an den Magistrat vom 19/29. April hatte Valkenier nachdrücklich auf die ') An Fagel, 9. Mai 1693. *) Konferenz mit Valkenier vom 28. April 1693 in A 217, 2. — 105 — vielen Vorteile hingewiesen, die der holländische Dienst biete: ohne Kosten werde ihr Volk in eine herrliche Kriegsschule geführt und unterhalten, in Friedenszeiten könne es sich in der Kaufmannschaft nebst allerhand ehrlichen Künsten und Wissenschaften ausbilden, wer Lust habe fremde Länder zu sehn, habe dazu nirgends bessere Gelegenheit als in Holland u. s. w. Pensionen habe die Schweiz freilich nicht von Holland zu erwarten, dafür aber etwas besseres: die Freundschaft der gesamten Alliirten, „dan Gelt ohne freundschaft ist nichts vill bessers alss ein Todtes Aass." Er erinnert sie an die „gleich- sam himlisch-begnädigte Harmonie und Sympathie" zwischen beiden Ländern, an die Notwendigkeit, dass Republiken einander beistehn, weil die Monarchien sie „überzwerch ansehn und Sie bald über ein häufen würden werfen, wan diese durch kluge Staats-Maximen und einer Vertraulichen Zusammenhaltung sich da- gegen nicht zu schützen wissen würden." 1 ) Dass die Vorteile des holländischen Dienstes und der Ver- einigung beider Länder auch in Frankreich hoch an- geschlagen wurden, wird durch ein Memoire Stuppas bestätigt, in dem es heisst: ,,So lange nur die Ge- sandten des Reichs und des Prinzen von Oranien (d. h. England) Werbungen in der Schweiz begehrten, hat es keine Not gehabt; denn, weit entfernt, dem Dienst des Königs zu schaden, wäre es ihm vorteil- haft gewesen, Offiziere und Soldaten hätten den Unterschied kennen gelernt zwischen jenem Dienst und dem französischen. Anders aber wäre es, wenn die Holländer mit den protestantischen Kantonen ein *) A 217, 2. — 106 — Bündnis hätten. Es wäre sehr zu fürchten, dass die Vereinigung dieser beiden Republiken, die derselben Religion sind, sie nicht nur so eng verbinden würde, dass sie in der Folge immer dieselbe Partei nehmen, sondern dass auch die Truppen sich unmerklich an den Dienst der Generalstaaten gewöhnen." 1 ) In seiner ganzen diplomatischen Laufbahn sei ihm noch keine Verhandlung so sauer geworden wie diese, versichert Valkenier. „Ich glaube, dass nir- gends in der Welt schwerer zu negotiieren ist, als in diesem Land, weil man mit so viel humeuren zu thun hat; Frankreich negotiiert mit Geld, wir dagegen nur mit Gründen. Wohlgesinnte Leute sagen mir, wenn das Werk thatsächlich zu Stande komme, so sei es wie ein Mirakel, dergleichen in diesem Lande seit hundert Jahren nicht mehr geschehn." 2 ) Während dieser Verhandlungen wurde die heim- liche Werbung, trotz aller Verbote, ruhig weiter be- trieben. 3 ) Wie zur Zeit des englischen Geschäftes liess die Obrigkeit auch jetzt wieder das ganze Land ab- suchen nach unnützen Gesellen und verurteilte sie „zur Verschickung nach Holland in ehrliche Kriegsdienste". Die Vergehen, die solchen Urteilen zu Grunde liegen, sind sehr verschiedenartig: wegen „gottloss vnd ver- ! ) Äff. Etr. Suisse, 99 fol. 213. ») An Fagel, 28. April 1693. 3 ) Züricher Ratsmanual S. S. I, 27. April (7. Mai n. St.) ein Verbot, dass vor Eintreffen der Vollmacht der Generalstaaten keine Werbung statt- finden dürfe. Dagegen schreibt am 6/16. Mai Valkenier an Fagel: „Da- mit die Zeit nicht fruchtlos vergehe, lasse ich die hiesigen Offiziere ihre Werbungen unter der Hand mit aller Vorsicht fortsetzen, wie sie denn in fünf bis sechs Tagen wieder achtzig Mann nach Nymwegen denken ab- zusenden." — 107 — lümbdrischen lebens vnd beständigen bethlens," wegen Entwendung einiger Pfunde Garn aus dem elterlichen Haus, um Kilwey damit zu halten, wegen des Verdachts, eine Magd ,,mit gifft hingerichtet" zu haben. Einer wird zum holländischen Dienst verurteilt wegen „oft- maligem Religionsabfall" und weil er soeben einmal wieder katholisch aus Einsiedeln zurückgekommen; ein Anderer, weil er von drei Hauptleuten sich hatte an- werben lassen und jedem mit dem Werbegeld davon- gelaufen war u. s. w. 1 ) Obschon die heimliche Werbung weniger ehrenhaft gegen Frankreich war, als eine öffentliche, (selbst Valkenier giebt das in einem seiner Geheimbriefe zu) so versicherte doch der Sekretär des französischen Gesandten: Den König würden hundert Mann, die man Holland öffentlich bewillige, viel mehr kränken, als 3000, die man in der Stille laufen lasse. 2 ) Ludwig XIV. persönlich war jedoch anderer Ansicht. Am selben Tag, an welchem der Gesandtschaftssekretär Vigier jene Erklärung in Zürich machte, schrieb der König an Amelot: „Kompagnien, die ohne die förmliche Zu- stimmung der Kantone gebildet werden, sind meinen Interessen noch schädlicher als solche, die man offen erlauben würde durch Verträge, in denen der Dienst der genannten Truppen einzig auf die Verteidigung der holländischen Plätze beschränkt ist." 8 ) x ) Züricher ßatsmanual U. S. I. 1693 fol. 151, 172, 173, 177. ü. S, II 70, 99 u. s. w. U. S. I 1694 fol. 16, 26, 51. In der -Schweizerischen Justiz des 17. Jahrhunderts kommen auch einzelne Verurteilungen zum holländischen Seedienst vor. Das traf namentlich die unverbesserlichen Taugenichtse aus dem Patrizierstande, deren die Familien sich entledigen wollten, z. B. Züricher Missive IV 172 am 10. März 1694. 2 ) A. 217, 2. Konferenz vom 13. Mai 1693. *) Äff. Etr. Suisse 101 fol. 38. — 108 — In zahlreichen und sehr eingehenden Schreiben prägt der König seinem Gesandten immer wieder aufs neue ein, nichts unversucht zu lassen, um die Werbung zu verhindern. Amelot Hess es in der That an Eifer nicht fehlen. „Ich werde den Be- fehlen Ew. Majestät gemäss nichts unterlassen, um bis zum Schluss dieses Geschäft zu durchkreuzen, wenn es möglich ist, aber Ew. Majestät sehen hinlänglich, dass man unter den gegenwärtigen Konjunkturen den Protestanten gegenüber keine sichern Massregeln treffen kann." 1 ) Während er dem König gegenüber den richtigen Standpunkt vertrat: der Hebel in dieser Sache sei bei den Transgressionen anzusetzen, so ging seine Taktik in der Schweiz darauf hin, diese in Bezug auf die Neutralität zu düpieren. „Die Frage, auf die es ankommt, ist, dass man ihnen immer wieder die Neutralität klar macht." „Der König wird glauben", heisst es in einem seiner Schreiben an den Züricher Magistrat, „dass alle Erklärungen, einer exakten Neu- tralität , die Ihr ihm kürzlich bestätigt habt . . . nichts sind als Worte ohne Wirklichkeit und ohne Folge." Zürich antwortete auf solche Vorhaltungen: es könne Bündnisse schliessen, mit wem es wolle, „Crafft der durch die Güte Gottes anererbten souverainischen Freiheit." 2 ) Amelot erwidert: es handle sich nicht um die Souveränität der Schweiz, die er nie bezweifelt habe, sondern um das Halten der von ihr erklärten Neutralität „weil sie ein Gesetz ist, das Ihr Euch selbst in diesem Krieg gemacht habt . . . Man würde mir ein überaus grosses Vergnügen gemacht haben, *) Äff. Etr. Suisse 99 fol. 204. *) Züricher Missive IV. 170 fol. 98. Schreiben vom 19/29 April 1693. — 109 — wenn man sich ein wenig auf die Erklärung dieser schönen Neutralität eingelassen hätte, die es gestattet, den Feinden des Königs, die nicht Eure Verbündeten sind, Truppen zu geben, während Ihr für den Dienst des Königs, Eures Verbündeten, nicht die Aushebung eines einzigen Mannes erlaubt." Der König begnüge sich damit, dass Zürich ihm nichts Gutes erweise, wenn es ihm wenigstens nichts Böses thue. Dass aber die Neutralität auch noch mit einer holländischen Werbung in Einklang zu bringen sei, das werde ein vernünftiger Mensch, der nicht blind vor Leidenschaft sei, niemals behaupten. 1 ) Ähnlich in einem folgenden Schreiben: „Ihr kommt mir immer wieder mit Eurer Souveränität und dass Ihr im Genuss Eurer recht- mässig erworbenen Freiheit, das Hecht habt, Verträge zu schliessen und Werbungen zu bewilligen, wem Ihr wollt. Ich habe Eure Souveränität niemals in Zweifel gezogen . . . Ich dachte mir aber, Ihr würdet Euch darauf verlegt haben, mir zu erklären, was Ihr unter Neutralität versteht . . . Man hat mir Eurerseits immer angeführt . . . Ihr könntet den Truppen des Königs keine Hülfe leisten wegen der von Euch bekannten exakten Neutralität. Und wie, mit Verlaub, kann Euch heute diese selbige von Euch so eng begrenzte Neutralität die Freiheit lassen . . . einem Staat Truppen zu geben, der nicht Euer Verbündeter ist und der mit dem König Krieg führt?" 2 ) Über dieses Schreiben ging Zürich einfach zur Tagesordnung über, denn es trägt die Randbemerkung: es sei verlesen, aber nichts darüber geratschlagt worden. *) A. 217, 2. Amelot an Heinrich Escher 3/13. Mai 1693. 2 ) 10/20. Mai 1693 an den Magistrat. — 110 — „Der französische Gesandte," schreibt Valkenier an Fagel, „wütet gegen unsere Werbung wie un- sinnig (hy tempestert daartegen als on sinnig), er legt sie aus als einen Bruch der Neutralität und des gegenseitigen Bündnisses. Sein Sekretär, der noch hier ist, hat einem vermeintlichen Vertrauensmann gesagt, dass er nur hier sei, um mich zu kontrekarrieren, und wenn er die Sache nicht hintertreiben könne, so solle er sie so viel als möglich in die Länge ziehn, um Zeit zu gewinnen, dass der Gesandte durch seine Vertrauensleute einen Knüppel ins Rad werfen könne (een stok in't wiel). Dazu sei mehr Aussicht, weil der Charakter dieser Nation der Art ist, dass sie sich zuerst hitzig auf Verhandlungen einlassen und dann mit der Zeit abkühlen." 1 ) Am 24. April (4. Mai) bestellte der französische Gesandte Wohnung in Zürich für sich und ein zahl- reiches Gefolge. Auf der Hinreise kam ihm Vigier bereits entgegen und berichtete, dass die Sache ver- loren sei, indem eine halbe Stunde vor seiner Abreise der grosse Rat mit Einstimmigkeit die öffentliche Werbung für Holland genehmigt habe. Amelot kehrte daher wieder um, ohne nach Zürich zu kommen. 2 ) Die entscheidende Sitzung des grossen Rats, die am 24. April stattgefunden, hatte von morgens sechs bis mittags zwei Uhr gedauert. Wenn Valkenier ge- glaubt hatte, nun endlich ,,heel klaar" zu sein, so hatte er sich geirrt. In den drei Wochen, die bis zur Unterzeichnung der Kapitulation hingingen, wurde von allen Seiten bis zum letzten Augenblick noch *) An Fagel 2. Mai (22. April) 1693. 2 ) An Fagel 5/25. und 9. Mai 1693, 25. und 29. April. — 111 — heiss gerungen: von Zürich, um möglichst viele Vorteile herauszuschlagen, von Amelot, um die ganze Sache zu hintertreiben, von Valkenier, um sowohl über den Züricher Eigennutz, wie über die französische Alleinherrschaft den Sieg davon zu tragen. An demselben Tage, an welchem die Vollmacht der Generalstaaten zur Unterzeichnung der Kapitu- lation eintraf, fand in Zürich noch einmal eine Kon- ferenz mit Vigier statt, in der die verschiedenartige Auslegung der Neutralität in Bezug auf Werbungen zum Ausdruck kam. Die französische Auslegung war: kraft der alten Bündnisse und deren Erneuerung vom Jahr 1663 sei die Schweiz verpflichtet, dem König Truppen zu liefern. Falls die Schweiz aber Holland den gleichen Dienst erweise, so geschehe das nicht kraft eines alten Bündnisses, sondern aus Partei- nahme für die holländische Sache, also liege darin ein Bruch der Neutralität. Zürich dagegen machte geltend: die bundesgemässe Truppenlieferung an Frankreich habe nur zu Verteidigungszwecken statt- zufinden. Die Verwendung der Schweizer zu Er- oberungskriegen sei dagegen bundeswidrig, sie sei eine Transgression. Solchen Transgressionen gegen- über aber könne die Neutralität nur dadurch wieder hergestellt werden, dass die Schweiz auch der Gegen- partei eine Werbung bewillige. Durch die Duldung der französischen Transgressionen hätten die katho^ lischen Orte die evangelischen zur Einwilligung in die holländische Werbung gezwungen. Zürich kam es im Grunde auf eine Feststellung des damals noch sehr schwankenden Neutralitäts- begriffes wenig an, sondern der eigentliche Kern der — 112 — Frage wird berührt, wo man Vigier grade heraus erklärt: Das Messer steht uns an der Gurgel. Solo thurn müsse der Nahrungsmittel wegen thun, was Frankreich will, wir aus demselben Grunde, was das Reich will. 1 ) Der Bericht, den Amelot über den Verlauf dieser Konferenz an Ludwig XIV. schickte, stimmt genau überein mit dem Protokoll der Züricher. Mit rück- haltloser Offenheit legt Amelot die Entschuldigungs- gründe Zürichs vor, dass der König selbst die holländische Werbung provociert habe, „sur ce que Votre Majestö n'a pas voulu agröer les expediens qui ont estö proposßs pour restraindre Temploy des trouppes Suisses qui sont ä son service." Es ist gewiss," heisst es in demselben Schreiben, „dass ohne die heftigen Deklamationen und die glühenden Bitten der Prädikanten die Werbung niemals be- willigt worden wäre . . . Die Sache ist nun geschehn (Cependant la chose est faite) und es ist selbst zu fürchten, dass diejenigen, die trotz der Wohlgesinnten mit dieser Sache zu Stande gekommen sind, auch noch Mittel finden, den Kanton zu einer Allianz mit Holland zu bringen. So würden sie dann den ersten Fehler mit einem zweiten bedecken, indem sie vor- geben, man könne ihnen dann nicht mehr vorwerfen, Nichtalliirten Truppen gegeben zu haben. Ich werde jede nur mögliche Anstrengung machen, um das ab- *) A 217, 2, Protokoll über die Konferenz mit Vigier vom 12/23. Mai 1693. (Freiherr Vigier von Steinbrugg aus Solothurn.) Die Vertreter Zürichs waren : Bürgermeister Heinrich Escher, Amtmann Escher, Oberstlieutenant Escher, Seckelmeister Waser und Statthalter Meyer. — 113 — zuwenden." 1 ) In einem anderen Schreiben spricht Amelot sich noch eingehender über die Beteiligung der Geistlichen aus: „Die Prädikanten, die viel Macht im Kanton haben . . . sind Tag und Nacht zu den Räten gelaufen; das Volk haben sie im Geheimen und in ihren Predigten ermahnt, dieses heilige Werk, denn so nennen sie diese Werbung, zu fördern. Schliesslich haben sie die Bürgerschaft mit solcher Hitzigkeit angepredigt, angefleht und angereizt, dass der Magistrat sich fortreissen Hess, die Werbung zu bewilligen." Der Antistes Klingler sei ein beredter Mann und mit den vornehmsten Familien verwandt, daher sein grosser Einfluss. 2 ) Am 9/19. Mai hatte im Bathaussaal in Zürich die Synode getagt, auf der Heidegger eine vierstündige Synodaldisputation gehalten: „de militia Christiana." Mit Behagen hörte der als Ehrengast anwesende Valkenier an, wie der berühmte Theologe Bibel und Kirchenväter für die holländische Werbung ins Feld führte, und mit welcher Würde diese Angelegenheit abgehandelt wurde (met wat deftigheid het point van questie geventileert wierde). ,,So ist nun endlich die letzte Hand an diese Kapitulation gelegt, die man hier geprüft hat: fünf mal vor dem grossen Rat, drei mal vor dem geheimen Rat, zwei mal vor dem kleinen Rat, fünf mal vor dem grossen Ausschuss der vierundzwanzig Herrn und so fünfzehn mal im *) Äff. Etr. Suisse 99 fol. 62. Amelot an Roi, 31. Mai 1693. Daselbst fol. 239, Vigiers Bericht „Relation de mon voyage a Zürich. 4 Es heisst darin: „Die Statthalter Meyer, Steiner, Hess und der Rat Werd- müller sind die Urheber dieser Werbung, sie haben Herrn Valkenier gedrängt, pousse), sie zu begehren und sie haben es mit Hülfe der Prädikanten erreicht." 2 ) Äff. Etr. Suisse 99 fol. 204. Amelot an Roi, 10. Mai 1693. 8 — 114 — Ganzen, abgesehn davon, dass man mit mir auch noch fünf Konferenzen gehalten hat, woraus hervor- geht, wie besonders schwer hier zu Lande zu ver- handeln ist." 1 ) Am 13« März war man endlich so weit, dass der Magistrat den vier Hauptleuten die Werbung der Kompagnien übertrug, nachdem ihnen vorher pro forma wegen der vorherigen eigenmächtigen Privat- kapitulation „Ihre dem gemeinen Lieben Vatterland verursachete müh vnd gefahr ernsthafft zu gemüth geführt vnd sie ermahnet worden, dass sie . . . dise scharte widerumb ausshin zu wetzen trachten sollen." 2 ) „Ich nehme mir die Freiheit", schreibt Valkenier nach dieser Sitzung an die Generalstaaten, „Ew. Hoch- mögenden in allem Gehorsam Glück zu wünschen, indem hierdurch die Brücke geschlagen ist, über die man fortan Schweizer genug aus allen reformierten Kantonen wird an sich bringen können und deren Dienst von Frankreich ablenken, woran bis dato alle Minister der hohen Alliirten vergebens gearbeitet haben." 3 ) Zwei Tage nachher, am 15/25. Mai 1693, wurde die Kapitulation unterzeichnet. Der wesentlichste In- halt des Vertrages besteht in folgenden Punkten: 1. Dass dieser Aufbruch und Volksbewilligung allein gemeint sein soll zur Verteidigung, Schutz und Schirm der holländischen Provinzen diesseits des Meeres und dass diese Völker nicht auf dem Meere gebraucht werden sollen. *) An Fagel, 23/13. Mai 1693. 2 ) Ratsmanual U. S. 1693 13. Mai. 8 ) An die Generalstaaten 4. Mai (24. April) 1693. — 115 — 2. Dass auch künftig die Ernennung der Hauptleute dem Stand Zürich zukomme. 3. Das Bataillon soll aus achthundert Mann, ein- schliesslich der Offiziere, bestehn. 4. Der Stab besteht aus Oberstleutnant, Major, Prädikant, Oberst- Prof oss, Feldscheerer- Major und Trommelschläger -Major. Die Generalstaaten zahlen für den Stab monatlich 200 Reichsthaler (= 600 livres). 5. Wenn Glarus, Basel, Schaffhausen, Appenzell, Abt und Stadt St. Gallen auch zum wenigsten vier Kompagnien begehren, so sollen sie dem Züricher Bataillon angegliedert und ein Regiment gebildet werden. Der Stab wird dann vermehrt um Sekretari, Gross wagenmeister, Feldweibel und Scharfrichter. Für diesen Stab werden 600 Reichsthaler (= 1800 livres) gezahlt. Den Oberst haben die Generalstaaten zu wählen, doch muss er einer alten und regierungs- fähigen Züricher Bürgerfamilie angehören. Sein Patent hat das Datum dieser Kapitulation, wenn er in spätestens acht Monaten ernannt wird. 6. Dieses Bataillon oder Regiment bildet einen Truppenkörper für sich; seine Kompagnien sollen weder von einander getrennt, noch einem andern Truppenteil einrangiert werden. Es soll den Rang haben, der dem Kanton Zürich gebührt. — 116 — 7. Jede Kompagnie besteht aus: Hauptmann Kapitänleutnant Leutnant Unterleutnant Fähnrich Kadetten 6 Wachtmeister 4 Unteroffiziere 4 (nämlich: Fourier, Fahnenträger, Oapitaine (Tannes und Profoss) Sekretair 1 Feldscheerer 1 Trabanten 4 Korporale 6 Gefreite 6 Trommelschläger 4 Soldaten, „darunter auch ein Pfeifer kann pas- siren" 159 Gratifikation von Mann 27 227 8. Dem Hauptmann wird für jeden Soldaten monatlich 16 französische livres und 4 Sous gezahlt, wovon er 13 livres dem Soldaten zu geben hat. 9. So lange die Kompagnie noch 175 Mann stark ist, hat der Hauptmann die Gratifikation von 27 Mann. 10. * Zählt die Kompagnie 174 Mann, so verliert der Hauptmann die Hälfte der Gratifikation. — 117 — 11. Sinkt die Kompagnie unter 165 Mann, so verliert er die ganze Gratifikation und erhält alsdann nur den Sold für die wirklich vorhandenen Soldaten. 12. Zur Werbung der Kompagnie werden dem Haupt- mann 6000 livres vorgestreckt und ihm nachher monat- lich mit 250 livres abgezogen. 13. Den Truppen wird freier Pass und Eückpass garantiert. 14. Für Eeisekosten und Sold während der Reise von der schweizer Grenze bis in die holländische Garnison erhält der Hauptmann zehn Thaler pro Soldat. Die Personen des Stabs erhalten jede fünf Thaler Reisekosten. Der Hauptmann soll die Hälfte der Gratifikation gemessen, sobald er hundert Mann beisammen hat, damit er seine Offiziere bezahlen kann. 15. Der Hauptmann darf keine Deserteure annehmen, die französische, holländische, englische oder spanische Unterthanen sind. 16. Waffen und Kleidung hat der Hauptmann zu stellen. 17. Die Kriegsmunition wird „auf die Occasionen" gratis verabfolgt. 18. Das Bataillon oder Regiment soll seine Justiz — 118 — haben wie die anderstwo dienenden eidgenössischen Regimenter. 19. Jede Kompagnie kann einen Marketender haben, der auf einen Passport der Hochmögenden hin Lebens- mittel zollfrei an die Soldaten verkaufen kann. Auch alles, was für deren Kleidung und Bewaffnung an- geschafft wird, ist zoll- und steuerfrei. 20. Der Sold wird am 1., 10. und 20. des Monats ausgezahlt. 21. Dem Hauptmann soll zwar die Wahl und Er- nennung seiner Offiziere überlassen sein, doch sollen sie von der Kapazität sein , dass der Oberst oder Oberstleutnant und der General bei der Präsentation sein Vergnügen daran haben kann. 22. Die Ersatzmannschaft (recrue) hat der Hauptmann auf eigene Kosten zu werben. Er hat hierzu zwei Monate Zeit, während deren er noch nach der Zahl Soldaten bezahlt wird, die er bei der letzten Musterung hatte. 23. Vor drei Jahren darf das Bataillon nicht ab- gedankt werden. 24. Was Offiziere und Soldaten während ihrer Dienst- zeit erwerben, können sie ohne Abzug in ihre Heimat mitnehmen und ist es auch ihren Erben zugesichert. 25. Wenn das Bataillon abgedankt wird, so werden ihm für die Heimreise zwei Monate Sold gezahlt. — 119 — 26. In Bezug auf Einquartierung, Kommisbrot, Spital und Beute werden die Soldaten denen der anderen holländischen Regimenter gleichgestellt. 27. Ebenso in Bezug auf Auswechselung. 28. Wird Zürich in einen Krieg verwickelt, so kann es sein Volk heimberufen. 29. Da der lobwürdige Kanton Zürich diese Werbung aus guter Freundschaft bewilligt hat, so wollen sich die Hochmögenden, um auch ihrerseits eine wahre und wirkliche Freundschaft zu bezeugen, die Inter- essen und die Erhaltung dieses Kantons so angelegen sein lassen, wie ihre eigene Not und die Zeitverhält- nisse es gestatten. Die Eidgenossenschaft soll in den künftigen Frieden eingeschlossen werden. Die Hoch- mögenden wollen Zürich beim Kaiser freien Handel und Eröffnung des Fruchtpasses erwirken. 30. Zürich behält sich bei diesem Vertrag vor, seine Bündnisse mit den dreizehn Kantonen, mit dem Reich, mit Frankreich, mit dem Hause Österreich und mit Venedig. 31. Herr Valkenier verspricht, innerhalb vier Wochen die Ratifikation der Generalstaaten einzuliefern. Zürich, 15. Mai (a. St.) 1693. Petrus Valkenier. Johann Caspar Escher 1 ) *) A 217, 2. — 120 — Noch am selben Tage machte der Magistrat den Anfang der Werbung bekannt, indem er Spielleute mit Pfeifen, Geigen, Trommeln und mit fliegenden Fahnen durch alle Strassen der Stadt ziehn liess. „Darauf kam ein solcher Zulauf, dass die vier Haupt- leute an diesem Tag mehr als dreihundert Mann, alle auserlesenes Volk, anwarben . . . Heute steht ein Trupp von ungefähr siebenzig Mann fertig zum Ab- marsch, morgen zwei andere ungefähr von gleicher Stärke und von Tag zu Tag andere, so dass binnen acht Tagen keine mehr hier sein werden . . . Wenn man diese Truppen im Dienst der Hochmögenden fortdauernd behält, so wird man durch sie immer so viele Schweizer haben können, als man wünscht; aber, wenn man sie nach drei Jahren abdankt, dann wird man in Zeiten der Verlegenheit wieder ebenso schwer wie vordem zu Schweizern kommen können." 1 ) Innerhalb sechs Tagen war die Werbung beendigt. Am 22. Mai zog der letzte Trupp ab, den Weg über Heilbronn und Miltenburg nehmend, weil Heidelberg inzwischen in die Hände der Franzosen gefallen war. Im Feld arbeitende Bauern, die das Volk unter Jauchzen und unter dem Klang von Trommeln und Pfeifen abziehn sahen, verliessen ihren Pflug und marschierten mit ihnen fort, ein paar Meilen weit ins Reich hinein. 2 ) Viele schlössen sich ihnen auch ganz an. Leutnant Breitinger berichtet: seine 128 Mann, mit denen er von Zürich abgezogen, hätten sich bis Frankfurt um 38 vermehrt „so sich nach vnd nach vnderstossen". *) An Fagel, 16/26. Mai 1693. 2 ) An Fagel, 30. Mai und 2. Juni 1693. — 121 — Als die betreffende Kompagnie nach Herzogenbusch kam, da fanden sich 58 Überzählige dabei. 1 ) Der Zulauf war so gross gewesen, dass zwei Ba- taillone hätten gebildet werden können. Die Offiziere hatten daher eine sorgfältigere Auswahl getroffen als bei der vorhergegangenen heimlichen Werbung. Es waren bereits Klagen aus Nymwegen eingetroffen über die schlechten Völker, die Zürich geschickt, aus denen man viele habe ausmustern müssen. Darunter waren sechzehnjährige Knaben, die das Gewehr noch nicht halten konnten, und „alte aussgehungerte vnd ver- frörte armsellig pursch, welche besser in Spital, alss in Krieg dienten", „aussgehausete Kerle", auch Familienväter, die den Gemeinden „Weib und Kind auf dem Hals gelassen" und die daher reklamiert wurden. 2 ) Valkenier beeilt sich, auf diese Klagen zu antworten, dafür käme jetzt nur auserlesenes Volk, schöne starke Leute, alle unverheiratet. Höchstens acht Stück werde man auszumustern haben und das seien Züricher Bürgersöhne, die man aus Rücksicht für die Väter nicht habe abweisen können. 8 ) Die Hauptleute mussten, trotz der Vorstellungen Valkeniers, dass deren Gegenwart in Nymwegen zur Musterung und Einkleidung der Mannschaft notwendig sei, zurückbleiben. 4 ) Die französische Partei hatte ausgestreut: wenn Zürich Offiziere und Volk her- gegeben habe, so werde keine Ratifikation kommen und *) Holzhalbs Kopienband fol. 686. *) Ratsmanuale und Verhöre, auch Holzhalb Kop. fol. 38. ") An Fagei, 2. und 20. Juni 1693. 4 ) A 217,2. Memorial vom 22. Mai 1693 und Ratserkenntnis vom selben Datum. — 122 — die Stadt sei dann um ihre Leute geprellt. 1 ) Am 19. Juni traf jedoch dieses Dokument ein. Am folgenden Tage wurde die Instruktion für die Hauptleute vor dem Eat verlesen, laut deren sie sich verpflichten mussten, etwaigen Befehlen der Generalstaaten, die über die Defension hinausgehn würden, den Gehorsam zu ver- weigern und Befehl aus Zürich abzuwarten. 2 ) Valkenier lachte, als ihm dieses Schriftstück gebracht wurde, und meinte, es werde ja wohl bei der Kapitulation ver- bleiben. 8 ) Nachdem die Hauptleute den Eid auf die Instruktion abgelegt, durften sie nun endlich den Truppen folgen. Am 22. Juni reisten sie mit der Post nach Nym wegen ab. 4 ) Während die Mannschaft der untersten Schicht des Volkes angehörte, zum Teil strolchisches Gesindel war, so gehörten umgekehrt die Offiziere fast aus- nahmslos den angesehensten Patriziergeschlechtern an. Die Namen derer, die das Züricher Bataillon 1693 in die Niederlande führten, sind folgende: l ) Äff. Etr. Suisse 99 fol. 65. *) Holzhalb Kop. fol. 323 ff. „Instruction auf die vier Herrn Haubt- leüth." Es wird ihnen darin auch eingeschärft, einen christlichen Lebenswandel zu führen, ordentlich für die Soldaten zu sorgen, ihnen keine „ohnchristenlich schmähliche Betittelungen" zu geben, sie mit Offizieren zu versehn, die sich in der Gefahr nicht von ihnen sondern, sie „bei Verlust des Vatterlands" nicht zu verkaufen u. s. w. Die Instruktion bestimmt auch die monatlichen Gagen: Feldprediger .... 90 Frcs. Oberwachtmeister . . 24 Frcs. . 115 „ Unterwachtmeister . . 20 „ . 90 „ Korporal 15 „ . 70 „ Gefreiter 14 „ 58 „ Gemeiner 13 „ 8 ) Holzhalb Kop. fol. 589. 4 ) An Fagel 21. Juni/1. Juli 1693. Kapitainleutnant Leutnant . . Unterleutnant . Fähnrich . . — 123 — I. Kompagnie. 1. Oberstleutnant Hans Heinrich Lochmann. 2. Eapitainleutnant Hans Ulrich Lochmann. 3. Leutnant Johann Escher. 4. Unterleutnant Gerold Escher. 5. Fähnrich Georg Schmidt. 6. Fähnrich Andreas Meyer. IL Kompagnie. 7. Major Hans Felix Werdmüller. 8. Kapitainleutnant Hans Meiss. 9. Leutnant Heinrich Friess. 10. Unterleutnant Heinrich Escher. 11. Fähnrich Hans Rudolf von Landenberg. III. Kompagnie. 12. Hauptmann Hans Heinrich Georg v. Schneeberger. 13. Kapitainleutnant Salomon Holzhalb. 14. Leutnant Friedrich Ludwig von Ulm. 15. Unterleutnant Adrian Ziegler. 16. Fähnrich David Gottfried Thill.*) i IV. Kompagnie. | 17. Hauptmann Franz Schlatter. 18. Kapitainleutnant Friedrich Breitinger. 19. Oberleutnant Marx Schintz. 20. Unterleutnant Johann Konrad Lavater. 21. Fähnrich Johann Kaspar Hirzel. 2 ) Der Oberstleutnant Lochmann und der Major Felix Werdmüller stammten beide aus altberühmten Militärfamilien. Ihre Vorfahren hatten schon in den *) Jedenfalls ein Sohn des gleichnamigen holländischen Gesandtschafts- Sekretärs. *) Holzhalb Kop. foL 281 ff. — 124 — Burgunderkriegen und bei Marignano gekämpft. Wo immer seit dem XV. Jahrhundert die Schweizer sich für eine fremde Sache herumgeschlagen: in Frankreich, Spanien, Italien, Dalmatien, Ungarn u. s. w., überall waren die Lochmann und die Werdmüller mit dabei gewesen. Mit Ruhm und Beute bedeckt, pflegten diese Kriegsleute, wenn sie nicht irgendwo auf fremder Erde gefallen waren, im Alter in ihren heimatlichen Kanton zurückzukehren. Der per fas et nefas er- worbene Reichtum wurde an den Ufern des Zürich- see's in Grundbesitz angelegt, auf dem sie als Schloss- herrn hausten, ein verlockendes Beispiel für die jüngere Generation, auch „ihre Fortun* ' in fremden Kriegs- diensten zu suchen. Heinrich Lochmanns Vater, der Gardeobrist Peter Lochmann, hatte bei Ludwig XIV. in hoher Gunst gestanden. Demselben Lande, gegen welches der Vater als Feind ausgerückt, führte der Sohn jetzt eine Hülfstruppe zu. Das Wechseln des Kriegsherrn war damals ebenso ohne Belang wie die Altersverhältnisse der Offiziere. Es gab solche, die bis ins Greisenalter hinein als Leutnant dienten, unter Obersten, die kaum halb so alt waren als sie. Heinrich Lochmann zählte 33 Jahre, als er das Züricher Bataillon übernahm, mit dem Entschluss, es zum Regiment umzugestalten, sobald es dem Magistrat von Zürich aus den Augen gerückt sei. 1 ) Die erste Freikompagnie, die sich schon in Nym- *) Eigentümlich ist die ganz vereinzelt dastehende Aussage aus einem Verhör des Majors Heinrich Bodmer am 9. August 1694 (A 217,2): Die Offiziere des Züricher Defensiv-Bataillons hätten bei ihrer Ankunft in Holland dem Bündner Oberst Capol einen Eid schwören müssen, darin weder vom Dienst in Garnison oder in Feld, sondern nur von „Treuw vnd Gehorsam" die Rede gewesen. — 125 — wegen den Zürichern angliederte, war die des Haupt- manns Jakob Seguin. Diese Kompagnie wird in allen älteren Darstellungen als eine Basler Truppe be- handelt. 1 ) Das ist irrig. Der Thatbestand ist viel- mehr folgender: in Basel war die Geistlichkeit nicht weniger holländisch gesinnt, als in Zürich, allein sie besass hier nicht denselben Einfluss auf die Re- gierung. Wie Solothurn, so war auch Basel in Bezug auf Lebensmittel von Frankreich abhängig, und der Hunger predigt eindringlicher als der beste Kanzel- redner. Schon die Nähe der Festung Hüningen, von wo man jede Bewegung in der Stadt scharf über- wachte und gelegentlich deren Gebiet durch Pa- trouillen abstreifen liess 2 ), würde die Beteiligung an der holländischen Werbung unmöglich gemacht haben. Nicht umsonst trug das gegen Basel gerichtete Thor die Überschrift: Sociis tutelam, hostibus terrorem, und nicht umsonst waren einer der Hüninger Kanonen die Worte eingegossen: Si tu te remues, Bäle, je te tue. Der Magistrat hatte Gelegenheit sich das einzuprägen, so oft er aus den Händen des Generalproviantmeisters der Festung das Korn, das ihm Frankreich verkaufte, abholen ging. 3 ) Auch Handel und Gewerbe waren vielfach auf Frankreich angewiesen. Gerade damals, 1693, gründeten die Kaufleute, um einem vorliegenden Bedürfnis abzuhelfen, ein Handelsblatt in französischer Sprache. Einen scharfen Aufpasser hatte die Stadt an ihrem berühmten Mitbürger, dem General Peter *) Gestützt auf Mays Histoire militaire sagt z. B. Schweizer a. a. 0. S. 378: „Ähnlich duldete Basel 1692 die Werbung einer Kompagnie durch Jakob Seguin." 2 ) Basler Ratsprotokoll, 1693 28. Juni. 3 ) Daselbst, 16. November 1692 und 13. März 1693. — 126 — Stuppa in Paris; noch dazu einen Spion in ihren eigenen Mauern an dem Agenten Gaspard Barbaut de Grandvillars. Das Lob, welches Amelot in seinem Memoire vom 3. September 1691 Basel erteilt: es habe sich von allen protestantischen Kantonen am besten aufgeführt und es sei der einzige, der sich in keinerlei Unterhandlungen mit dem Prinzen von Oranien eingelassen, will daher nicht viel heissen. Die Stadt konnte eben nicht anders, als sich gut aufführen. 1 ) Im Jahr 1692 tauchte sogar das phantastische Gerücht auf: zwölf Basler hätten sich verschworen, den Oranier durch einen Mord zu beseitigen. 2 ) Unter solchen Verhältnissen hatte Valkenier darauf verzichtet, an den Magistrat irgendwelches Begehren wegen einer Werbung zu richten. Der Hauptmann Jakob Seguin oder Seggin war auch kein Basler, sondern wahrscheinlich der Sohn eines ausländischen Offiziers und einer Baslerin, Elisabeth Iselin. 3 ) „Un nommö Iselin", über den Amelot sich am 1. Juli 1693 als holländischen Werber beklagt, wird ein Verwandter des Hauptmanns ge- wesen sein. 4 ) Diese Klage und eine gleiche über einen Jakob Riespach sind die einzigen Spuren, die *) Äff. Etr. Suisse 95 fol. 130. Memoire sur la Suisse. 3. Sept. 1691. „Le canton de Basle est celuy des protestants qui s'est le mieux conduit." 2 ) Daselbst 97 fol. 120. Memoire touchant le Canton de Zürich 1692. 8 ) Tauf- und Sterberegister im Domhof zu Basel. Leu kennt eine solche Familie nicht, ein Beweis, dass sie keine schweizerische war. Dass Jakob Seggin jedoch schon von den Zeitgenossen als Basler bezeichnet wird (Holz- halb fol. 688), mag darin seinen Grund haben, dass seine Mutter, während der Yater im Feld stand, mit den Kindern wahrscheinlich im elterlichen Hause gelebt hatte, was häufig damals vorkam. 4 ) Niederland A 1 und Basler Ratsprotokolle 24. Juni (4 Juli) 1693, — 127 — sich über die holländische Werbung jenes Jahres in den Basler Akten finden. 1 ) Die Seguinsche Kom- pagnie bestand aus Deserteuren, die massenhaft aus der französischen Armee anlangten. 2 ) Schon am 1. Juli (21. Juni) 1693 schreibt Valkenier: es kämen Klagen aus den katholischen Kantonen, ihre Kapitaine in Frankreich könnten die evangelischen Soldaten nicht mehr festhalten „loopende al voord." 8 ) Auf diese Desertionen hatten Holland und seine Freunde bei der Feststellung der Zahl der aufzurichtenden Kompagnien gradezu gerechnet, und der Erfolg über- traf ihre Erwartungen. Der Religionseifer ist jedoch nicht als das einzige Motiv zu diesen Desertionen an- zusehn, sondern in der französischen Armee in Flandern herrschte empfindlicher Nahrungsmangel, und man blieb ausserdem im Rückstand mit der Löhnung. Diese Umstände werden wesentlich mitgewirkt haben. 4 ) *) Basler Ratsprotokoll, 28. Juni 1693. Basler Missive, 1. August 1693, ein Schreiben an General Stuppa: sie vernähmen mit Bedauern durch ihren Bürger Abel Socin, dass am französischen Hof geredet werde, als ob sie den Holländern eine Werbung gestattet. Es sei notori und bekannt, dass sie damit nicht das geringste zu thun, auch von keinem Menschen darum er- sacht worden seien. Stuppa möge daher ihre diesfaüige Unschuld bei Hof retten. ■) A. 217, 2. Verhör vom Januar 1695 (Holzhalb fol. 688): Seggin habe „eine schöne Compagnie überall von frantzösischen deserteurs so theils Schwytzer oder vnder den Schwytzern in Frankreich gedient, seyn aber ein gottloss volck, also dass sie ihrethalb fast täglich mit Standrecht occupiert seyen." Ebendaselbst Verhör vom 28. Dezember 1693: Man halte die Über- zähligen den anderen Soldaten ganz gleich „dan man suche durch diess mitell die Schwytzer auss Frankreich an sich zu ziehen. 14 8 ) An Fagel, 1. Juli 1693. 4 ) Reichsarchiv Haagh, Schreiben des Oberst Tscharner aus Bern an Valkenier 11/21. Februar 1693 (einliegend in einem Schreiben an Fagel vom 24. Februar): Wenn Holland von Zürich und von Bern auch nur 800 Mann verlange, so könne man diese Truppen leicht unter der Hand vergrössern, denn die Schweizer würden scharenweise aus der französischen Armee — 128 — Zwei weitere Kompagnien, die sich dem Loch- mann'schen Bataillon anschlössen, waren die der beiden Züricher Hauptleute Hans Jakob Edlebach und Salomon Holzhalb. Der Erstere hatte in Ungarn gegen die Türken gedient. Bei der Belagerung von Grosswardein war seine Kompagnie auf sechzehn Mann herabgeschmolzen, das ganze Regiment hatte sich aufgelöst. Durch seinen Verwandten, den Chor- herrn Schweizer, und durch den Rat Christoph Werd- müller unterstützt, erreichte Edlebach, dass Valkenier eine Privatkapitulation mit ihm abschloss. *) Den vier Hauptleuten des Defensiv-Bataillons befahlen die Generalstaaten, Edlebach ihre Überzähligen abzu- geben. 2 ) Salomon Holzhalb, dem der Rat die Er- richtung einer Freikompagnie rundweg abgeschlagen hatte, scheint seine Leute ausserhalb des Züricher Gebiets zusammengebracht zu haben. 8 ) Eine vierte Kompagnie, die sich den Zürichern angliederte, war aus Glarus. 4 ) Diese vier Freikom- pagnien bildeten zusammen das sogenannte „Offen- sivbataillon." desertieren. Holzhalb. Kop. 560: „Aussreisser kommen sehr viel nacher Brüssel und Mastrich, in diessen letsten orth sind in zwey Tagen 530 ankommen sambt einem Obristleütnant, meisten Theil darunter wahren Teütsche und Schweitzer. 11 Daselbst fol. 564: „Aussreisser kommen sehr viel, also dass ihr Dhlt. Hertzog von Holstoin-Pleun Jüngst versichert deren albereit in 5000 ankommen seyen." *) Holzhalb, fol. 435: Privatkapitulation vom 14. Dezember 1693 zwischen Valkenier und Edlebach. Der Chorherr Schweizer muss sich des- wegen vor dem Rat verantworten, fol. 415. 2 ) Holzhalb Kop. fol. 687. ») fol. 521, 527. 4 ) An Fagel, 6. Februar 1694: „In allen Dörfern des Kantons Glarus wirbt man für die Generalstaaten mit Pfeifen und Trommeln." Holzhalb fol. 403, 7 16 ff. — 129 — Es ist nicht recht zu durchschauen, ob die Schwierigkeiten, welche Zürich der heimlichen Um- wandlung seines Bataillons in ein Regiment entgegen- setzte, ernst gemeint waren, oder ob es nur auf eine Täuschung Prankreichs abgesehn war.*) Der auf- fallende Ungehorsam der Offiziere lässt fast mit Sicherheit auf das Letztere schliessen. Im Januar 1695 wird z. B. Lochmann durch Magistratsbefehl ge- zwungen, die Stellung eines Obersten, die Wilhelm III. ihm verliehen hatte, und das Offensivbataillon aufzu- geben. *) Im März leistet er „obz waren zu seiner Lieben Hausshaltung merklichen schaden" thatsäch- lich auf dem Papier einen de- und wehmütigen Ver- zicht. 8 ) Das hindert ihn aber durchaus nicht sich des Oberstentitel ruhig weiter zu bedienen, selbst in Schriftstücken, die dazu bestimmt waren, der Züricher Obrigkeit vor Augen zu kommen. Ebensowenig hindert es ihn, das Offensivbataillon beizubehalten und im August 1695 zum Sturm auf Namur zu führen.*) Denselben auffallenden Ungehorsam finden wir, als der Magistrat Edlebach befahl, jedem der an ihn verkauften Züricher Soldaten auf dessen Begehren so- a ) Ratsmanual U. 8. 1694 10. Febr. : „Es können aber dergleichen privat- Handlungen vnd . . . Winkelregimenter änderst nit als strefflich angesehen werden." ■) Ratsmanual U, S. I. 1695. ■) Holzh. fol. 704. Ratsmanual ü. S. 1695, I. *) Leu, Helv. Lexikon: „A. 1694 trüge ihm König Wilhelmus von Engelland auf, noch ein Bataillon anzuwerben, über welche er folglich Obrister gewesen und mit letzterem A. 1695 der Belagerung von Namur beygewohnet und 2000 Mann in einem Sturm des Schlosses commandiret. 4 „La campagne de Namur" 1695, erwähnt S. 107 und 116 Lochmann unter den Schweizerischen Obersten, die Namur den Alliirten erobern halfen. Auch Stuppa sagt in seinem Memoire vom Jahre 1698, Zürich habe „ein Regiment 11 geliefert. Balthasar, Helvetia Denkwürdigkeiten IL 9 — 130 — fort den Abschied zu geben. Albrecht, der Schneider, klagt: er sei zuerst unter die Berner gestossen, dann für 20 Thaler an Edlebach verkauft worden. Als er darauf den Abschied begehrt, habe man ihn ab- gewiesen; als er wiederholt damit gekommen, habe er Schläge erhalten, und da er ihn schliesslich „trungen- lich" verlangt, da habe man ihn von 160 Mann durch die Spiessruthen jagen lassen. Die Ausrede der Offiziere: die Spiessruthen seien dafür gewesen, dass der Albrecht mit dreissig anderen komplotiert habe, lässt die Sache noch bedenklicher erscheinen. Wahrscheinlich hatten alle dreissig „trungenlich" den Abschied begehrt. 1 ) Amelot, der in seinen Urteilen stets den Nagel auf den Kopf trifft, nennt einmal das Gebahren des Züricher Magistrats den Offizieren gegen- über ein „amusement", weil nicht wahrzunehmen sei, dass auf die Übertretungen und Drohungen eine Strafe folge. 2 ) Darauf antwortet der Magistrat würdevoll: Se. Excellenz wolle sie mit dergleichen unverdienten Bezichtigungen verschonen und ihnen in ihrem richter- lichen Amt nichts vorschreiben. 8 ) Das Spiel aber bleibt nach wie vor dasselbe: Zürich befiehlt, verbietet, droht; die Hauptleute sehen „mit höchst empfindlichen Schmertzen das erzürnte Vatter-Hertz", 4 ) sie flehen „inbrünstig umb den werthen heiligen Geist", damit sie sich zur Zufriedenheit meiner gnädigen Herrn zu betragen wüssten, 6 ) in Wirklichkeit aber treiben sie, was sie wollen, und erwarten in aller Ruhe die „Ab- straffung", die ihnen für das Ende des Feldzuges an- gekündigt ist. 6 ) *) Holzhalb fol. 1035. •) Fol. 583. 8 ) Fol. 609. 4 ) Fol. 884. 6 )Fol. 631. «) Holzhalb fol. 691. Erkenntnis vom 28. Februar 1695. _ 131 — Das dunkelste Blatt in der Geschichte des Züricher Bataillons ist die Geldgier der Hauptleute, der schon im Verlauf von anderthalb Jahren nahezu ein Fünftel der Mannschaft zum Opfer gefallen war. Namentlich in der ersten Garnison Herzogenbusch, wo das Bataillon vom Sommer 1693 bis zum Frühjahr 1694 lag, herrschte eine furchtbare Sterblichkeit, indem die Soldaten wegen ungenügender Bekleidung in dem nasskalten Winter erfroren. 1 ) In einem Verhör vom 9. August 1694 heisst es z. B.: „dass Regiment seye vnder 120 Regimenteren das schlechtste bekleidt, dass wenig gantze Kleider an dem leib tragind, habind auch vnder ihnen keine Capot Rock (Mäntel) vnd wenig Camisol, dass ein Theil verfrieren müssen, wegen des kalten Landts vnd schlechten Bekleidung, da vnder Ihrer Compagnie allein 44 Mann gestorben." 2 ) Schlatter, dessen Kompagnie diese Aussage gilt, ent- schuldigt sich damit, dass Oberst Lochmann nicht weniger Tote haben werde als er. In einem anderen Verhör redet Leutnant Lavater von den „Spöttischen S trumpf en" des Bataillons und berichtet, dass sogar König Wilhelm sich über die schlechte Bekleidung *) Valkenier hatte Fagel darauf aufmerksam gemacht, es sei eine Eigentümlichkeit der Schweizer, Klimawechsel schlecht zu ertragen, und hatte gebeten, dass darauf Rücksicht genommen werde. *) Verhör vom 9. August 1694. Holzhalb fol. 688 ist eine Namens- liste über die 56 Verstorbenen der Schlatterschen Kompagnie vom 24. Juni 1693 bis den 15. November 1694. Daselbst fol. 771—846: die Zahl der Verstorbenen vom Juni 1693 bis zum Dezember 1696: 1. Kompagnie 53, II. Kompagnie 30, III. Kompagnie 55, IV. Kompagnie 64. Von diesen 202 Mann ist nur einer „par justice gestorben 11 , keiner ist im Kriege gefallen, sondern alle sind an Krankheit und Mangel zu gründe gegangen. 9* — 132 — der Züricher missfällig geäussert habe. 1 ) Um den Soldaten Mäntel zu kaufen, zogen die Hauptleute ihnen wöchentlich zwei Stüber am Sold ab.') Da das Murren darüber nicht aufhören wollte, so wurden nach einigen Monaten die Abzüge zwar eingestellt, aber das Geld nicht zurückgegeben. Die Offiziere behaupten, sie hätten es den Soldaten „am Hospital* gelt gut gemachet." 8 ) Die Soldaten klagen dagegen: auch das Spitalgeld werde ihnen am Sold abgezogen. 4 ) Der Züricher Magistrat beruhigt sich dabei, wie über alle Klagen, die die gemeinen Knechte über ungutes Traktament an ihn gelangen lassen. Es war in der Kapitulation, der Instruktion wie im Eid zwar ausdrücklich festgesetzt, dass das Züricher Bataillon nur zur Verteidigung zu verwenden sei; allein in keinem dieser Schriftstücke ist erklärt, dass die Aktionen, welche die Verteidigung erfordere, auch nur auf holländischem Boden vorgehn dürfen. Viel- mehr war das Meer der einzige Ort, der für die Verwendung der Völker vorbehalten wurde. Die Generalstaaten konnten daher keinen Vertragsbruch darin sehn, als im Frühjahr 1694 das Bataillon auf den Kriegsschauplatz nach Brabant kommandiert wurde, um sich mit den Truppen zu vereinigen, die Wilhelm III. zum Schutz der holländischen Grenzen bei Löwen zusammenzog. 5 ) Am 12, Mai rückten die x ) A. 217, 2. Actum 17. August 1694: „. . . . als nun dass hiessige Regiment vor dem König vorbey marchiert, habe selbiger gesagt, es seye ein schön volck, verwundere sich auch, dass selbiges so niemahlen gedienet den Marsch so sauber mache, aber es seye schlecht mondiert." •) Fol. 592, 1037. ») Fol. 1037. «) Fol. 591. B ) Wiederholt kommt in Valkeniers Briefen an Fagel aus dem Jahre 1693 die Versicherung vor, dass Zürich, fünf oder sechs französisch Gesinnte aus- genommen, wünsche, dass sein Volk im Feld gebraucht werde. — 133 — Züricher aus Herzogenbusch aus und langten am 17. im Dorfe Erps-Guerbs, unweit Brüssel, an. 1 ) Dieser Marsch brachte den Konflikt, der in der zweideutigen Abfassung des § 1 der Kapitulation verborgen lag, sofort zum Ausbruch. Die Mannschaft schmähte : man habe ihnen solches zu Zürich nit versprochen, und „habend sich ein Theil darvon übel gehebt vnd glaube, dass der beste theil wieder gern nach Hauss were."*) Der französische Gesandte, der bereits im vorigen Jahr als Strafe für die Kapitulation die Züricher Kauf- mannsgüter im Elsass und in der Freigrafschaft hatte konfiszieren lassen, 8 ) trat auf die Kunde, dass das Züricher Bataillon ins Feld gerückt sei, sofort wieder drohend auf: „Ich kann mich nicht enthalten, Euch zu fragen, ob dieser Marsch mit Eurer Zustimmung bezw. Duldung geschehn ist oder nicht, und ob Ihr entschlossen seid, unsere Verträge ganz und gar um- zustossen und den König aufs neue zu kränken?" 4 ) In euiem folgenden Schreiben wirft Amelot dem Magistrat das Ausrücken seines Bataillons vor als „une odieuse et manifeste eontravention", umsomehr, als an der Spitze der französischen Armee der Dauphin in Person stehe. 6 ) Schon nach dem ersten Schreiben des Gesandten befahl Zürich seinen Hauptleuten den sofortigen Rück- marsch. 6 ) Valkenier machte inzwischen nachdrücklich geltend, dass Holland berechtigt sei, die zur Ver- teidigung bestimmten Truppen überall da zu ver- ■ ■■■*■ ■ . ■■ .^ IUI la«M> ') Hoklialb fol. 533. •) Daselbst fol. 590, 695. Verhöre vom 9. und 17. August 1694. 8 ) Äff. Etr. Suisse 99 fol. 65. Amelot au Boi, 7. Juni 1693. 4 ) A. 217, 2. 5. Juni 1694. *) A. 217, 2. 7. August 1694. «) Fol. 535. — 134 — wenden, wo der Zweck der Verteidigung es erfordere, also auch im Nachbarlande. „Wan einer den Brand seines benachbarten Hausses nicht wolte helfen löschen, sondern erst abwahrten, biss der Brand in sein eigenes Hauss übergeschlagen wäre, würde man den nicht für einen Thorichten vnd an sich selbsten vntreüwen menschen halten?" 1 ) Den Generalstaaten machte Valkenier gleichzeitig Vorstellungen, sie möchten, um Zürich Ungelegenheiten zu ersparen, den Rückmarsch befehlen. 2 ) Am 4. Juli berichten die Hauptleute aus dem Lager bei Tirlemont, dass der König ihren Bückmarsch erlaubt habe, sobald Ersatz für sie da sei. Um zunächst die Kompagnien Werd- müller und Schlatter zu ersetzen, wurden die in Her- zogenbusch zurückgebliebenen Freikompagnien Seguin und Edlebach herangezogen. 3 ) Oberst Lochmann Hess jedoch dem König vorstellen, zwei Kompagnien könnten nicht gesondert weggeschickt werden; wenn der König sich Zürich verpflichten wolle, so müsse das ganze Bataillon fort. 4 ) Major Werdmüller klagt nach Zürich, dass das eine „wunderliche Caprice" ihres Obersten sei, er und Schlatter seien daran unschuldig und durch Lochmanns „elende Conduite gestraafft." 5 ) „Wenn man Euch hat vorreden wollen", schreibt *) A. 217, 2. 17/27. Januar 1694. 2 ) A. 217, 2. Valkenier an seinen Sekretär Schwebel. 19/29. August 1694. Kopie. ■) Holzhalb fol. 575. Befehl des Herzogs von Württemberg an den Kommandanten von Herzogenbusch vom 2. Juli 1694: zwei andere Kom- pagnien „van het Switzersohe Regiment onder Kolonel Lochman" zur Ab- lösung auf den Kriegsschauplatz zu schicken. 4 ) A 217, Lochmann an Statthalter Meyer, 2. Aug. 1694. 6 ) Holzhalb fol. 572. — 135 — Amelot am 7. August, „dass zwei Eurer Kompagnien schon auf dem Rückmarsch in die Garnison seien, so hat man Eure Leichtgläubigkeit düpieren wollen, was in einer so wichtigen Sache ein strafwürdiger Kniff wäre." Wie es scheint, war Oberst Lochmann durch- aus nicht gewillt, das Bataillon vor dem Ende des Feldzugs zurückzuführen. Ein Vergleich der Angaben in den Schreiben der Hauptleute mit den Karten des französischen Hofgeographen Baurain beweist, dass das Züricher Defensiv -Bataillon den Feldzug vom Sommer 1694 vollständig mitgemacht, und zwar stets in nächster Nähe des Feindes gestanden hat. 1 ) Die ganze Kampagne bestand übrigens nur in unbedeutenden Plänkeleien und in einem sich beobachtenden Hin- und Herrücken der beiden Armeen in Brabant, Lüttich und Flandern. Wie Baurain versichert, wurde eine Schlacht absichtlich vermieden, um nicht die Ehre des Dauphin aufs Spiel zu setzen. Die einzige Aktion J ) Baurain „Histoire militaire de flandres 1690 — 1694." Die hier ver- öffentlichte „Ordre de Bataille de 1' Armee des Alliez pendant la Campagne de 1694" nennt unter argen Namensverstümmelungen folgende Schweizer- truppen: Salicks. link Suisse (?). Churier Suisse. Melunne. Cocheman Suisse. Capol Suisse. Cinquille Suisse (?). In "Wirklichkeit waren drei Ee- gimenter in holländischen Diensten an dem Feldzug von 1694 beteiligt: eins aus Bern unter Mülinen, eins aus Bünden unter Capol, eins aus Zürich und den Freikompagnien unter Lochmann, und wahrscheinlich noch eine Anzahl vereinzelter Freikompagnien, die erst im folgenden Jahr, als Valkenier das Regiment Tscharner auflichtete, einrangiert wurden. Überhaupt herrschte 1694 in bezug auf die Einteilung der schweizerischen Völker noch „grosse Unordnung." (Holzhalb fol. 686.) Die Marschroute des Züricher Bataillons war diese: 12. Mai: Ausmarsch aus Herzogenbusch. 17. Mai: Ankunft in Erps bei Brüssel. 31. Mai: Befehl, zur Armee des Königs zu stossen. 2. Juni: Berthem bei Löwen. 28. Juni: Tirlemont „ „ — 136 — war die Belagerung und Eroberung der kleinen Festung Huy, zwischen Lüttich und Namur, durch die Alliirten vom 17. bis 27. August 1694. Das Defensivbataillon gehörte im Lager zu St. Andre zu den Truppen, die Huy belagerten, wurde jedoch, nach Angabe der Generalstaaten, nicht aktiv dabei verwandt. 1 ) Als das Bataillon aus dem Lager zu St. Andrö in nordwestlicher Richtung auf Nivelles geführt wurde, gab ihnen General Fagel an, das Ziel dieses Marsches durch Flandern sei das holländische Sass de Gent in Seeland. 2 ) Sie gelangten aber nicht bis dorthin, sondern in das königlich englische Feldlager zu Wannegem, während die französische Armee sich in unmittelbarer Nähe bei Courtray ge- lagert hatte. Am 30. August schreibt Major Werd- müller aus Wannegem: sie seien jetzt so weit von holländischen Städten entfernt, dass zu befürchten sei, man werde ihnen eine Garnison in den spanischen Niederlanden anweisen, „an disem aber ist wider unser Oberst schuldig, weil Er vns nit in Zeit zuruk ge- lassen, sie haben Ihme auss Zürich alles was Ich 13. Juli: Roosbeok bei Löwen. 2. August: St. Andre (Provinz Lüttich). Ende August: Marsch über Nivelles, Oudenaerde nach Wannegem. 30. August: im Feldlager Wannegem. 2. September: „ „ 5. September: Befehl zum Marsch nach Mastricht. 6. September: Aufbruch von Gent. 9. September: Melbrock bei Brüssel. 11. September: Coutrise bei Löwen. 14. September: Ankunft in Mastricht. Die Angaben in Schweizers Geschichte der Neutralität, S. 379, über den Marsch des Bataillons sind unrichtig und wohl durch eine Verwechselung von St. Andre bei Lüttich mit St. Andries in Geldern entstanden. *) Holzhalb fol. 645. ») Fol. 619. — 137 — klage geschrieben. Ich fraag Ihm aber nichts dar- nach; ietz ist er zimlich zam, weiss aber nit, wie lang es wehren werde. 4 ' 1 ) Als Garnison wurde jedoch dem Bataillon Mastrioht angewiesen, wo es nach einem achttägigen Marsche aus Ost-Flandern am 14. September eintraf.*) „Frivole Klagen" und „blinden Lärm" des Herrn Amelot, „um seinem König einen Vorwand zu neuen Transgressionen zu machen", nannte es Lochmann, 8 ) als am 13/23. September eine Citation an die vier Hauptleute erging, sich auf Martini vor dem Rat in Zürich zu verantworten. 4 ) Die General- staaten traten in einem langen Schreiben vom 20. Oktober für sie ein: zunächst wird geltend gemacht, dass Holland laut der Kapitulation ein Recht auf unbeschränkte Benutzung dieses Batail- lons in einem Defensivkrieg habe ; dann aber werden die Märsche in einer Weise ausgelegt, die zwar das Gegenteil des wirklichen Sachverhalts ist, die aber den Zweck, eine Zurücknahme der Citation zu be- wirken, erreichte. 6 ) Nach Beendigung des Feldzugs 1694 machte *) Holzhalb fol. 614. 4 ) Fol. 630. «) Fol. 648. 4 ) Fol. 627. 6 ) A. 217, 2. Die Generalstaaten geben vor: Das Bataillon habe von Her- zogenbusch nach Mastricht marschieren sollen. Unterwegs sei es durch die vor- dringende französische Armee aus seiner Route gedrängt und so nur „durch einen unvermeidlichen Zufall u in das Lager geraten. Einmal dort, habe es ohne starke Bedeckung nicht sogleich zurückmarschieren können. Zürich bemerkt in seinem Schreiben an die Hauptleute, obwohl die Mitteilungen der Herrn Generalstaaten nicht mit dem Inhalt der Partikularschreiben der Offiziere übereinstimmten, so wollten sie doch zu Respekt der Hochmögenden die Citation zurücknehmen. Holzhalb fol. 660. Yalkenier war zur Ordnung seiner Privatangelegenheiten im August 1694 nach Holland gereist. Seine Absicht, den König im Feldlager aufzusuchen, musste er aufgeben, denn er vermochte nicht bis zum königlichen Lager durchzudringen. — 138 — Frankreich bereits Friedensvorschläge: es wolle den Prinzen von Oranien als König von England aner- kennen, für Luxemburg und Strassburg ein Äquivalent geben, und den Huguenotten in Frankreich so viele Freiheiten als die Katholiken in Holland hätten. Valkeniers Sekretär, Schwebel» der in Abwesenheit des Gesandten die Geschäfte besorgt, forderte am 19/29, Dezember Zürich auf, die evangelischen Kantone möchten ihr Missfallen über so armselige Friedens- vorschläge in die Wagschale werfen. 1 ) Während der weiteren Feldzüge bis zum Frieden von Rijswyck 1697 vegetierten die Züricher Kom- pagnien in den holländischen Garnisonen Mastricht, Breda und Hellevoetsluys. 2 ) Heftigen Unwillen erregte es in Zürich, als Holland gleich nach dem Friedens- A ) A. 217, 2. *) Über Valkeniers vergebliche Bemühungen, die Eidgenossenschaft zur Absendung eines Vertreters nach Rijswyck zu bewegen, um dort die Heraus- gabe der Freigrafschaft Burgund an Spanien zu erstreben und Anschluss der Schweiz an die Allianz, siehe Schweizer, Geschichte der Neutralität, S. 324 ff. und R. Huch, a. a. 0., S. 191 ff. Auch H. 306 fol. 48. Valkenier schreibt hier seinen Misserfolg dem Dazwischentreten eines „certain Sieur Presomptueux" zu. A. G. IV., 10. „Begriffenliche Vorstellung dessen, Was unlang vor und bey Abschliessung des Risswikischen Fridens Ao. 1697 wegen dorthiniger Abschickung jemandese aus der Eidgenossschafft pro und contra moviert worden." Die Simlersche Sammlung, Band 184, enthält eine kleine Druckschrift mit Beschreibung der Festlichkeiten, die Valkenier zu Ehren des Rijswyckschen Friedens der Stadt Zürich am 9. November 1697 gab: dem Rat der Zwei- hundert und der Geistlichkeit ein festliches Mahl unter vielmaligem Lösen des Geschützes und Schall der Trompeten und anderer musikalischer Instru- mente. Dem Volk eine Illumination auf dem Weinmarkt, d. h. eine Pyramide mit fünf Laternen, die die friedenschliessenden Mächte darstellten und sinn- reiche Transparente zeigten: z. B. der gallische Hahn in einem Lilienfeld, der „pax, pax u kräht; der Generalitätsleu, der einem geharnischten Schweizer — 139 — schluss, bei der Verminderung seiner Truppen, auch das Züricher Defensiv-Bataillon um zweihundert Mann verringern Hess. Erst zwei Monate später wird dem Rat diese Änderung offiziell seitens der Generalstaaten mitgeteilt. 1 ) Die Hauptleute entschuldigen sich wegen der sofortigen Abdankung der Leute damit, dass Hol- land keinen Sold mehr für sie gezahlt habe. Da sie den Soldaten noch ein Namhaftes schuldig gewesen seien, so hätten sie keinem einen Heller Reisegeld gegeben, sondern einen jeden, wohin er wolle, laufen lassen. 2 ) Dem Züricher Rat gaben sie die Abgedankten für „meistens Teütsche" 3 ) aus. Auf diese Weise konnten sie das Reisegeld, das Holland zahlte, in die eigene Tasche stecken. Zürich bestand jedoch darauf, den Namen und den Verbleib eines jeden Abgedankten zu erfahren 4 ) und so stellt sich denn heraus, dass etwa die Hälfte Züricher Landeskinder sind. 5 ) Ausser der Zahl der Mannschaft wurde auch der Sold herab- gesetzt von 16 frcs 4 sous auf 15 frcs 10 sous, die Gage für den Stab von 600 Reichsthaler auf 300, die Gratifikation von 27 Mann auf 25. Die Seguin- sche Kompagnie musste Lochmann auf Befehl des Königs ganz abdanken. 6 ) einen Kranz aus Öl- und Palmzweig überreicht. „Darob giengen zwo Hand auss den "Wolken, jedere haltend ein brennendes Herz mit der Überschrift: Pro libertate. Darunter stunde: Sic coeant animis Fontes ac Ostia Eheni. Also werde der Ursprung des Rheins mit dessen aussgang vereiniget 44 *) Holzhalb fol. 923. Memorial Valkeniers vom 3/13. Februar 1698. *) Fol. 866. Bericht des Hauptmann Schlatter vom 27. Dezember 1697. 8 ) Fol. 858. 4 ) Fol. 879. 5 ) Fol. 895 ff. 6 ) A. 217, 2. Der Befehl ist unterzeichnet: „IL E. goede Vrundt William R." — 140 — Obschon die Hauptleute an diesen Änderungen schuldlos waren, so fand der Rat es jetzt doch an der Zeit, die lang angedrohte Abstrafung vorzunehmen. Am 26. Mai 1698 wurde ihnen das Urteil gesprochen wegen folgender Klagepunkte: 1. die Privatkapitulation; 2. die Verstossung der Überzähligen unter die Kompagnie Edlebach; 3. die Betretung der spanischen Niederlande; 4. die Bildung eines Regiments aus zwei Batail- lonen mit ungleicher Kapitulation, bezw. die Annahme der Titel von Oberst und Oberst- leutnant ; 5. die Einwilligung in die Verringerung der Truppen und des Soldes. Lochmann wird zu 1500, Werdmüller zu 1000, Schlatter zu 600 Pfund Geldes, zahlbar innerhalb acht Tagen, verurteilt. Hauptmann Schneeberger wird „wegen seines Tötlichen Hintrits völlig verschonet"; Hans Ulrich Lochmann wird für unschuldig erachtet. 1 ) Die Geistlichkeit war mit einem kräftigen Memorial für die Offiziere eingetreten. Sie hielt dem Magistrat die Geringfügigkeit und die kurze Dauer dieser Transgression vor im Vergleich zu den schweren Transgressionen , welche in dem früheren Krieg die Schweizer Truppen gegen Holland begangen. Damals habe die Züricher Obrigkeit keinem Offi- zier ein Haar gekrümmt. 2 ) Es ist wahrscheinlich, *) Holzhalb foL 1043. Im Juni 1697 war Schneeberger gestorben und Hans Ulrich Lochmann hatte auf seine Vorstellung, dass „Er sonder- bahr von vnsserem Herr Gott mit Rinderen gesegnet" sei, die Kompagnie erhalten. A. 217, 2. 2 ) Holzhalb, fol. 1047. „Intercession der Herren Geistlichen über den Misstritt der Officieren in Holland." — 141 — dass sich auch in diesem Fall die Ausführung des Urteils im Sande verlief. Eine Mahnung, die noch nicht bezahlte Strafe zu entrichten, scheint das einzige zu sein, was noch folgte. 1 ) Valkenier hatte Zürich im Auftrage der General- staaten ersucht, entweder in die Umänderung der Kapitulation einzuwilligen und das Bataillon künftig unbeschränkt brauchen zu lassen oder aber Offiziere und Mannschaft auf freien Fuss zu stellen. Zürich verweigerte beides. Vergeblich waren die Vorstel- lungen der Hauptleute, dass alle anderen Völker in die Änderungen eingewilligt und dass die Hochmögen- den schon geäussert hätten, sie behielten einzig und allein um der Religionsgemeinschaft willen das Ba- taillon bei. Wenn der Magistrat in nichts nachgebe, so sei eine gänzliche Abdankung zu befürchten. Ver- geblich hatte auch die Geistlichkeit ,, kr äfft ihres Wächteramtes" vorgestellt: wenn man nicht in die geringe Reduktion des Soldes und der Truppen ein- willige, so werde Zürich bei aller Welt in den Ver- dacht kommen, dass es nicht um der gerechten Sache, um der Freundschaft und der Gemeinschaft der Heiligen willen Holland helfe, sondern allein um Sold und Bereicherung seiner Offiziere. Als Frankreich seine Schweizerkompagnien um hundert Mann herab- gesetzt, da habe man sich nicht widersetzt, sondern sei froh gewesen, dass es überhaupt noch einen Teil seiner Schweizer behalten habe u. s. w. Erst nachdem im Spätherbst 1698 zwei Kom- pagnien nach Friesland gelegt worden und da deren *) U. S. II. 1698. 2. Juli. — 142 — Abdankung durch die Provinzialbehörde zu befürchten war, und nachdem der General Graf d'Albemarle persönlich an Bürgermeister Escher geschrieben: die Reduzierung des Züricher Bataillons sei darum eine Notwendigkeit, weil sonst unter den anderen Truppen Murren entstehe, 1 ) da entschloss sich Zürich endlich, im April 1699, zu bewilligen, dass seine Leute in Friedenszeiten auf den Fuss der übrigen eidgenös- sischen Regimenter gesetzt würden. Sobald jedoch ein neuer Krieg ' ausbreche, müsse die alte Kapitulation wieder in Kraft treten. 2 ) So wenig sich das „Vatter-Hertz" meiner gnädigen Herrn um das Sterben seiner Landeskinder ge- kümmert hatte, so viel kümmerte es sich jetzt um deren Heiraten. Die Neigung der Schweizer, sich in Holland einen Hausstand zu gründen, war so gross, dass alle Anstrengungen, die die Offiziere dagegen machen, sich als machtlos erweisen. Sie klagen: die Soldaten erschwindelten sich unter irgend einem Vor- wande durch ihre Angehörigen in Zürich den Ab- schied, sobald sie ihn hätten, kehrten sie keineswegs in die Schweiz zurück, sondern verheirateten sich in Holland und blieben dort. „Die Meisten, die Euch, Meine Gnädigen Herren, mit dergleichen schreiben ansuchen, geschihet eben vmb deren vrsachen." 3 ) Unter den fünfzig Abgedankten der ersten Kompagnie verheiraten sich dreizehn Züricher im Haag und in Herzogenbusch. 4 ) *) Holzhalb, fol. 1092. 2 ) Fol. 1098. Erkenntnis vom 12. April 1699. *) A. 217, 2. Schreiben vom 6. September 1697. 4 ) Holzhalb fol. 896. — 143 — Am 25. November 1699 dekretiert der Rat, dass kein Kriegsknecht sich unterstehn soll, eine Holländerin in die Schweiz zu bringen, wenn nicht ,,eine soliche frömbde weibspersohn wenigst dreyhundert guldin hiessiger Währung in vnser Land seiner zeit zu- bringen habe." 1 ) Das Züricher Defensivbataillon war und blieb ein militärisches Unding, an welchem die Generalstaaten bis zu dessen Abdankung im Jahr 1715 wenig Freude erlebten. „Jamais on ne parle du bataillon d6fensif de Zuric qu'avec un möpris indisible", schreibt der Berner Gesandte St. Saphorin aus dem Haag. 2 ) Aber, obschon die Kapitulation vom 15. Mai 1693 nur dieses Unding ins Leben gerufen hatte, so war sie dennoch eine That von geschichtlicher Bedeutung: sie war ein moralischer Sieg Hollands über Ludwigs XIV. Allgewalt, so gut wie eine ge- wonnene Schlacht. Von da an datiert der hol- ländische Kriegsdienst der evangelischen Kantone, der bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts fort- währte. Beim Frieden von Rijswyck sollen 9000 Schweizer und Bündner auf Seiten der Niederlande gestanden haben, während des spanischen Erbfolge- krieges sollen es 12—16000, und 1748 über 20000 gewesen sein. Mehr als fünfzig Generale hat inner- halb eines Jahrhunderts die Schweiz Holland gegeben. *) Fol. 1118. Schreiben der Hauptleute vom 14. Januar 1700. Vergl. Ratsmanual TL S. I. 1700 fol. 31. a ) R. Huch a. a. 0. S. 116. A. ms* Vita. Ich wurde am 21. Juli 1848 in Koblenz geboren. Den ersten Unter- richt erhielt ich im elterlichen Hause. Später besuchte ich öffentliche Schulen, unter denen ich namentlich das Kloster Nonnenwerth erwähne. Lange Jahre hindurch beschäftigte ich mich mit der Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte, bis ich durch Ignaz von Döllinger auf das siebenzehnte Jahrhundert als Arbeitsfeld hingewiesen wurde. Vom Herbst 1896 bis zum Frühjahr 1898 studierte ich in Zürich Geschichte und neuere deutsche und französische Litteratur. Während des Sommersemesters 1898 setzte ich meine Studien in Bern fort. Den Herren Professoren Meyer von Knonau, Schweizer, Oechsli, Colin, Baechtold, Morf, "Woker, "Walzel und Michaud, deren Vorlesungen ich in diesen Jahren besucht habe, spreche ich hier meinen aufrichtigsten Dank aus; ebenso den Herren Beamten der Archive und Bibliotheken, die mir das Material zu meiner Dissertation zugänglich gemacht, namentlich dem Herrn Staats- archivar Labhart in Zürich, Diese Dissertation erscheint gleichzeitig durch Hinzufügung zweier Kapitel über die Hochschulen und über die politischen Beziehungen 1652 — 1679, sowie eines Anhanges über Handel und Gewerbe zu einer umfangreicheren Arbeit erweitert, im Verlag von Alexander Duncker in Berlin. I 4 +t r 5 % n m V* Pf . V I .&..